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Рассказ «Картинки» (Streiflichter) на немецком языке – Джек Лондон

Рассказ «Картинки» (Streiflichter) на немецком языке – читать онлайн, автор книги – Джек Лондон. Книга «Картинки» (Streiflichter) входит в сборник рассказов Джека Лондона «Дорога». Это сборник автобиографических рассказов, которые были написаны в период бродяжничества Джека Лондона по Америке с целой армией безработных. Эти рассказы не являются такими известными, как, к примеру, «Мартин Иден», «Морской волк» и другие популярные произведения  (и которые впоследствии были переведены на многие самые распространённые языки мира).

Остальные рассказы, повести и романы, которые написал Джек Лондон, а также много других литературных произведений известных писателей можно читать онлайн в разделе «Книги на немецком» (для детей создан раздел «Сказки на немецком»).

Для тех, кто самостоятельно изучает немецкий язык по фильмам, создан раздел «Фильмы на немецком языке» (для детей есть раздел «Мультфильмы на немецком»).

Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с преподавателем, есть информация на странице «Немецкий по скайпу».

 

Теперь переходим к чтению рассказа «Картинки» (Streiflichter) на немецком языке, автор – Джек Лондон.

 

Streiflichter

 

»Spielt keine Rolle, wo wir krepieren und wie, solange

wir gesund sind, den Rummel mitzumachen.«

Rudyard Kipling

 

Der größte Reiz des Landstreicherdaseins besteht vielleicht darin, daß es nie langweilig wird. Das Leben eines Tramps ist wechselvoll - ist ein ewig wechselndes Bild -, wo das Unmögliche geschieht und das Unerwartete einem bei jeder Wegbiegung aus dem Hinterhalt entgegenspringt. Der Tramp weiß nie, was im nächsten Augenblick geschieht; folglich lebt er nur dem Augenblick. Er kennt die Sinnlosigkeit zielgerichteten Strebens, aber auch die Lust, sich von den Launen des Zufalls treiben zu lassen.

Wie oft denke ich an meine Vagabundentage, und immer wieder ergötze ich mich an der raschen Folge von Erlebnis bildern, die in meiner Erinnerung auftauchen. Es spielt gar keine Rolle, woran ich gerade denke; jeder dieser Tage ist ein Tag für sich und voller eigener sich jagender Eindrücke. Ich denke da zum Beispiel an einen sonnigen Sommermorgen in Harrisburg, Pennsylvania; sofort fällt mir ein, wie glückverheißend dieser Tag begann. Ich wurde von zwei ält lichen Fräulein aufgefordert hereinzukommen, nicht etwa in die Küche, sondern in ihr Eßzimmer, mit ihnen zusammen an einen Tisch. Wir aßen Eier aus Eierbechern! Es war das erste Mal, daß ich Eierbecher sah, ich hatte noch nie etwas davon gehört. Natürlich war ich zuerst ein bißchen ungeschickt, das muß ich schon zugeben, aber ich war hungrig und unverfroren. Ich meisterte die Sache mit den Eierbechern und auch mit den Eiern, und zwar in einer Art und Weise, die die beiden alten Damen höchlichst erstaunte.

Die beiden aßen wie ein paar Kanarienvögel, stocherten in dem einen Ei rum, das jede von ihnen nahm, und knabberten an hauchdünnen Toastscheibchen. Leben steckte nicht viel in ihnen, ihr Blut war dünn, und sie hatten die ganze Nacht im Warmen geschlafen.

Ich aber war die Nacht über draußen gewesen und hatte viel von dem Brennstoff in meinem Körper verbraucht, während ich mich von Emporium, einem Ort im nördlichen Teil des Staates, bis hierher durchschlug. Und dann Toastscheiben so dünn wie Oblaten! Kaum zu beschreiben! Jedes Scheibchen war für mich nicht mal ein Mundvoll - was sage ich, nicht mal ein Happen! Ist das vielleicht 'ne Plage, nach jedem Happen nach einer neuen Scheibe Toast zu langen, wenn man mächtigen Hunger hat!

Als ich noch ein sehr kleiner Junge war, hatte ich einen sehr kleinen Hund. Er hieß Punch. Ich fütterte ihn immer selbst. Irgend jemand im Hause hatte eine Menge Enten geschossen, und es gab eine herrliche Fleischmahlzeit. Als ich fertig war, machte ich das Futter für Punch zurecht - einen großen Teller voll Knochen und Resten. Ich ging hinaus, um es ihm hinzustellen. Zufällig war nun gerade ein Besucher von einer benachbarten Farm herübergeritten und hatte einen Neufundländer, so groß wie ein Kalb, mitgebracht. Ich stellte den Teller auf die Erde. Punch wedelte mit dem Schwanz und fing an zu fressen. Er hatte mindestens eine himmlische halbe Stunde vor sich.

Doch plötzlich kam etwas angerauscht. Punch wurde wie ein Strohhalm von einem Wirbelwind zur Seite gefegt, und der Neufundländer machte sich über den Teller her. Er hatte ein riesiges Maul und mußte auf schnelle Mahlzeiten dressiert sein, denn noch ehe ich ihm einen Stoß in die Rippen versetzen konnte, hatte er alles vom Teller in sich hineingeschlungen. Ratzekahl leergefegt. Ein letztes Lecken beseitigte selbst die klein sten Fettspuren.

Wie dieser Neufundländer vor dem Teller meines Hundes Punch, so benahm ich mich an dem Tisch der beiden alten Fräulein in Harrisburg. Ich fegte alles leer. Ich zerbrach nichts, aber ich machte mit allem reinen Tisch, mit den Eiern, dem Toast und dem Kaffee. Das Dienstmädchen brachte mehr, aber ich hielt sie in Trab; und sie brachte immer noch mehr herein. Der Kaffee war köstlich, nur schade, daß er in so winzigen Tassen serviert wurde. Wieviel Zeit blieb mir schon zum Essen, wenn ich mir doch die ganze Zeit die vielen Tassen Kaffee zurechtmachen mußte!

Jedenfalls blieb auf diese Weise Zeit genug für meine beredte Zunge. Die beiden alten Fräulein mit dem rosaweißen Teint und den grauen Locken hatten nie zuvor in das leuchtende Gesicht des Abenteuers gesehen. In der Sprache der Vagabunden würde man sagen, sie hatten ihr ganzes Leben auf demselben Gleis gearbeitet. In die zarten Düfte und engen Grenzen ihres ereignislosen Daseins also brachte ich die frische Luft der weiten Welt, angefüllt mit dem kräftigen Geruch von Schweiß und Kampf und den verführerischen Düften fremder Länder und Erde. Und ich kratzte mit meinen schwielenbedeckten Händen richtig über ihre zarten Handflächen - kratzte mit der dicken Hornhaut, die man vom Ziehen und Zerren an Seilen bekommt, oder von anstrengenden Stunden am Spatengriff. All das tat ich nicht nur in der Prahlerei meiner Jugend, sondern um zu beweisen, daß ich mir durch vollbrachte Arbeit ein Anrecht auf ihre Wohltätigkeit erworben hatte.

Ich sehe sie noch immer vor mir, diese lieben, reizenden Damen, wie ich vor zwölf Jahren an ihrem Frühstückstisch saß, sie mit meinen Wanderungen zu Fuß quer durch die Welt unterhielt, ihren freundlichen Rat beiseite schiebend, wie es jeder verwegene Bursche getan hätte, und wie ich sie nicht nur mit meinen eigenen Abenteuern erregte, sondern mit den Abenteuern all der anderen Tramps, mit denen ich zusammengekommen war und Tips ausgetauscht hatte. Ich machte sie mir alle zu eigen, die Abenteuer der anderen Vagabunden, meine ich; und wenn die alten Fräulein ein bißchen weniger vertrauensselig und arglos gewesen wären, hätten sie mich schön in meinem eigenen Garn verstricken können. Was das Ganze eigentlich sollte? Es war fairer Austausch. Für ihre vielen Tassen Kaffee und Eier und Toasthäppchen gab ich mein Bestes. Schlicht und einfach gesagt, ich bot ihnen Unterhaltung. Daß ich kam und an ihrem Tisch saß, war ihr ureigenes Abenteuer, und Abenteuer sind nicht mit Geld zu bezahlen.

Als ich die alten Damen verlassen hatte und die Straße entlangging, ließ ich von der Haustür eines Langschläfers eine Zeitung mitgehen, legte mich in einem Park auf den Rasen und informierte mich über das Weltgeschehen der letzten vierundzwanzig Stunden. Dort in dem Park traf ich einen Landstreicherkollegen, der mir seine Lebensgeschichte erzählte und mich davon zu überzeugen suchte, in die Armee der Vereinigten Staaten einzutreten. Er war dem Wer beoffizier auf den Leim gegangen, war just im Begriff, in die Armee einzutreten, und konnte nicht begreifen, warum ich ihm dabei nicht Gesellschaft leisten wollte. Ein paar Monate vorher, bei dem Marsch nach Washington, war er schon in Coxeys Armee mit von der Partie gewesen, und dort mußte er wohl Geschmack am Soldatenleben gefunden haben. Zwar war auch ich Veteran, denn schließlich war ich gemeiner Soldat in der Kompanie L der zweiten Division von Kellys Industrial Army gewesen; diese Kompanie L war allgemein als »Nevada-Trupp«

bekannt. Aber meine Erfahrungen in der Armee hatten genau die umgekehrte Wirkung gehabt. So verließ ich also jenen Landstreicher, der in der Armee vor die Hunde gehen wollte, und machte mich auf die Strümpfe nach einer Mittagsmahlzeit.

Als ich auch dieser Pflicht genügt hatte, wollte ich die Brücke über den Susquehanna zum Westufer hinübergehen. Ich habe den Namen der Eisenbahnlinie vergessen, die auf der anderen Seite entlang führte; aber als ich so morgens im Gras gelegen hatte, war mir der Einfall gekommen, nach Baltimore zu fahren. So beabsichtigte ich also, auf jener Eisenbahnlinie nach Baltimore zu trampen, egal, wie sie hieß. Es war ein warmer Nachmittag, und als ich schon einen Teil der Brücke hinter mir hatte, sah ich eine Schar junger Burschen, die von einem Brückenpfeiler losschwammen. Ich warf meine Kleider ab, und schon war ich drin. Das Wasser war herrlich. Als ich wieder herauskam und mich anziehen wollte, stellte ich fest, daß ich bestohlen worden war.

Jemand hatte meine Sachen durchstöbert. Nun weiß jeder, daß es schon ein Abenteuer für sich ist, wenn man bestohlen wird, und für einen Tag reicht. Ich habe Leute gekannt, die bestohlen worden sind und den ganzen Rest ihres Lebens davon redeten. Freilich, der Dieb, der sich an meinen Sachen vergriffen hatte, machte keine reiche Beute - an die dreißig oder vierzig Cent in Fünfcentstücken und Pennies, mein Tabak und Zigarettenpapier. Aber es war alles, was ich besaß, und das ist mehr, als man den meisten Menschen stehlen kann, denn die haben immer noch was zu Hause; aber ich habe kein Zuhause. Es war jedenfalls eine ausgemachte Gaunerbande, die dort herumschwamm. Ich schätzte sie richtig ein und fing nicht erst an zu jammern. Ich bat sie also um etwas zu rauchen und könnte schwören, daß es eines meiner eigenen Blättchen war, in das ich den Tabak eindrehte.

Dann wanderte ich über die Brücke zum Westufer. Hier verlief die Bahnstrecke, die ich brauchte. Weit und breit war kein Bahnhof zu sehen. Wie auf einen Güterzug gelangen, ohne erst bis zu einem Bahnhof laufen zu müssen, das war das Problem. Ich bemerkte, daß die Strecke eine ziemliche Steigung hatte und da, wo ich auf sie gestoßen war, den höchsten Punkt erreichte. Ein beladener Güterzug konnte hier also nicht sehr schnell hochfahren. Aber wie schnell? An der gegenüberliegenden Seite der Gleise lag ein hoher Bahndamm.

Oben auf dem Rand sah ich den Kopf eines Mannes aus dem Gras hervorlugen. Vielleicht wußte er, wie schnell die Güterzüge die Steigung nahmen und wann der nächste in Richtung Süden ging. Ich rief ihm meine Fragen zu, und er bedeutete mir, herüberzukommen.

Ich gehorchte, und als ich hinaufgeklettert war, sah ich, daß außer ihm noch vier Männer im Gras lagen. Als ich mich umblickte, war mir klar, wen ich vor mir hatte - amerikanische Zigeuner. Auf der freien Fläche, die sich vom Rande des Bahndamms aus zwischen Bäumen ausbreitete, standen mehrere primitive Wagen. Zerlumpte, halbnackte Kinder trieben sich auf dem Platz herum. Mir fiel auf, daß sie darauf bedacht waren, den Männern nicht zu nahe zu kommen und sie zu stören. Etliche dürre, abgearbeitete und keineswegs schöne Frauen machten sich mit dem üblichen Lagerhaushalt zu schaffen. Eine saß abseits alle in auf einer Stufe an einem der Wagen, den Kopf ließ sie hängen, die Knie bis zum Kinn hochgezogen, die Arme kraftlos darumgeschlungen. Sie sah nicht gerade glücklich aus. Ich hatte den Eindruck, sie kümmere sich um nichts mehr - aber das stimmte nicht, denn später konnte ich sehen, daß es durchaus etwas gab, das ihr nicht gleichgültig war. Das ganze Ausmaß menschlichen Leidens lag in ihrem Gesicht, und dazu hatte es den tragischen Ausdruck dessen, der die Fähigkeit zu leiden verloren hat. Sie sah aus, als könnte sie nichts mehr verletzen; aber auch hierin irrte ich mich.

Ich lag im Gras oben am Rande der Böschung und schwatzte mit den Männern. Irgendwie waren wir verwandt - gewissermaßen Brüder. Ich war der amerikanische Tramp, und sie waren die amerikanischen Zigeuner. Ich kannte genug von ihrem Jargon, und sie kannten genug von meinem. Noch zwei andere Männer gehörten zu ihrem Trupp, aber die waren drüben in Harrisburg am »Maschen«. Ein »Mascher« ist ein umherziehender Lebenskünstler. Das Wort darf man nicht mit den »Maschers« (mushers) vom Klondike, den kräftigen Schlittenhunden, verwechseln, wenn der Ursprung beider Ausdrücke auch der gleiche sein mag, nämlich das entstellte französische Wort marcher für marschieren, gehen, umherziehen, eben »maschen«. Die beiden Mascher, die über den Fluß gegangen waren, wollten sich als Schirmflicker Geld verdienen, aber was sie mit dieser Beschäftigung eigentlich bezweckten, erfuhr ich nicht, es wäre auch unhöflich gewesen, danach zu fragen.

Es war ein herrlicher Tag. Kein Lüftchen regte sich, und wir ließen es uns in der Wärme der flimmernden Sonne wohl sein. Ringsumher hörte man das einschläfernde Summen der Insekten, und die Luft war erfüllt vom Duft der guten Erde und der grünen wachsenden Natur.

Wir waren zu faul, um mehr als nötig zu reden, und warfen uns hin und wieder Gesprächsbrocken zu. Dann aber wurde mit einemmal dieser Frieden und die Stille gewaltsam gestört.

Zwei nacktbeinige Jungen von acht oder neun Jahren hatten auf irgendeine belanglose Art irgendwelche Gesetze des Lagerlebens verletzt. Worum es ging, wußte ich nicht. Ein Mann, der neben mir lag, setzte sich plötzlich auf und rief sie. Er war das Oberhaupt des Stammes, ein Mann mit niedriger Stirn und schmalen Augen, dessen dünne Lippen und verzerrte höhnische Gesichtszüge nur zu gut erklärten, weshalb die beiden Knaben beim Klang seiner Stimme aufsprangen und wie aufgeschrecktes Wild erstarrten. Furcht stand ihnen im Gesicht geschrieben, und in panischer Angst drehten sie sich um und rannten davon. Er rief ihnen nach umzukehren, und der eine blieb zögernd zurück. Sein magerer kleiner Körper widerspiegelte pantomimisch den Kampf zwischen Furcht und Vernunft, der in seinem Innern tobte. Er wollte zurückkommen. Sein Verstand und seine Erfahrung sagten ihm, daß umzukehren das kleinere Übel war als davonzulaufen. Aber ob kleineres Übel oder nicht, es war groß genug, um seiner Furcht Flügel zu verleihen und seine Füße die Flucht ergreifen zu lassen.

Immer noch blieb er etwas zurück und kämpfte mit sich, bis er den Schutz der Bäume erreicht hatte und stehen blieb. Der Häuptling verfolgte sie nicht. Er schlenderte zu einem Wagen hinüber und nahm sich eine schwere Peitsche. Dann kam er auf den freien Platz zurück, stellte sich in die Mitte und wartete. Er sprach nicht. Er machte keine Bewegung. Er war die Verkörperung des Gesetzes, erbarmungslos und allmächtig. Er stand nur da und wartete. Und ich wußte und alle anderen wußten es, und auch die beiden Jungen unter den Bäumen wußten, worauf er wartete.

Der Junge, der zurückgeblieben war, kam langsam näher. In seinem Gesicht zeichnete sich eine zitternde Entschlossenheit ab. Er zuckte nicht zurück. Er hatte sich dazu durchgerungen, seine Strafe hinzunehmen. Und wohlgemerkt, es wurde jetzt nicht das ursprüngliche Vergehen bestraft, sondern das Davonlaufen. Damit handelte der Stammeshäuptling genauso, wie die hochwohllöbliche Gesellschaft handelt, in der wir leben. Wir bestrafen unsere Verbrecher, und wenn sie aus dem Gefängnis ausbrechen und fliehen, fangen wir sie wieder ein und erhöhen ihr Strafmaß.

Der Junge ging geradewegs auf den Häuptling zu und blieb so stehen, daß ihn die Peitschenschnur erreichen konnte. Die Peitsche pfiff durch die Luft; ich fuhr unwillkürlich zusammen, weil mich die Heftigkeit des Schlages erschreckte. Die mageren Beinchen waren so dünn und so klein. Das Fleisch war zunächst weiß geworden, wo die Peit sche getroffen und sich herumgewickelt hatte. Dann sprang eine Strieme auf, wo zuerst die weißen Striche zu sehen waren, und hier und dort sickerte es auch rot durch, wo die Haut aufgesprungen war.

Wieder wurde die Peitsche geschwungen, und der ganze Körper des Jungen krümmte sich in Erwartung des Hiebes. Aber er wich nicht von der Stelle. Seine Willenskraft war stark genug. Eine zweite Strieme sprang auf und eine dritte. Erst als der vierte Hieb traf, schrie der Junge los. Er konnte auch nicht länger stillstehen, von nun an hüpfte er bei jedem Hieb schmerzgepeinigt herum und schrie, aber er versuchte nicht wegzulaufen. Wenn sein unwillkürliches Umhertanzen ihn außer Reichweite der Peitsche brachte, tanzte er wieder näher heran. Dann war es vorüber - zwölf Peitschenhiebe -, wimmernd und heulend humpelte er zwischen die Wagen.

Der Häuptling stand unbeweglich und wartete. Der andere Junge kam unter den Bäumen hervor. Er ging nicht geradeaus vorwärts. Er kam wie ein winselnder Hund, immer wieder packte ihn die Furcht und ließ ihn ein halbes Dutzend Schritte zurückweichen. Doch immer wieder kehrte er um und kam näher, immer dichter umkreiste er den Mann. Dabei wimmerte er und gab unartikulierte Laute von sich. Ich bemerkte, daß er den Mann auch nicht einmal ansah. Seine Augen waren nur auf die Peitsche gerichtet, und in seinen Augen war ein Entsetzen, das mich krank machte - das wahnsinnige Entsetzen eines unvorstellbar mißhandelten Kindes. Ich habe in der Schlacht kräftige Männer links und rechts fallen und sich in Todeskrämpfen winden sehen, ich habe erlebt, wie sie zu Dutzenden von explodierenden Granaten in die Luft geschleudert und zerfetzt wurden; ihr könnt mir glauben, das anzusehen kam mir wie ein Witz vor, verglichen damit, was ich beim Anblick des armen Kindes litt.

Die Auspeitschung begann. Die Peitschenhiebe, die der erste Junge erhalten hatte, waren das reine Spiel im Ver gleich zu diesen. Im Nu lief das Blut an den dünnen Bein chen herunter. Er hüpfte und wand und krümmte sich, bis er fast eine groteske Marionette zu sein schien, an deren Fäden man zog. Ich sage »schien«, denn sein Schreien strafte den »Schein« Lügen und drückte ihm den Stempel der Echtheit auf.

Seine Schreie waren scharf und durchdringend; es waren keine heiseren Töne darin. Die dünne hohe Stimme eines Kindes war zu hören, das Junge oder Mädchen sein konnte. Bald konnte er es nicht länger aushalten. Die Ver nunft verließ ihn, und er versuchte fortzulaufen, aber jetzt folgte ihm der Mann, verhinderte seine Flucht und trieb ihn mit Schlägen immer wieder auf den freien Platz.

Dann ereignete sich ein Zwischenfall. Ich hörte einen wilden, unterdrückten Schrei. Die Frau, die vor dem Wagen saß, war aufgestanden und lief jetzt herbei, um den Jungen in Schutz zu nehmen. Sie sprang zwischen ihn und den Mann.

»Willst wohl auch 'n paar übergezogen kriegen«, sagte der Mann mit der Peitsche. »Na gut.«

Er schwang die Peitsche über ihr. Da ihre Röcke lang waren, schlug er nicht nach den Beinen. Er versuchte, ihr Gesicht zu treffen. Sie schützte es mit Händen und Unterar men, so gut sie konnte, zog den Kopf zwischen die mageren Schultern und beugte sich vor, so daß ihre mageren Schultern und Arme die Hiebe abbekamen. Heldenhafte Mutter. Sie wußte, was sie tat. Der Junge, der immer noch kreischte, machte, daß er zwischen den Wagen verschwand.

Währenddessen lagen die vier Männer neben mir, sahen zu und rührten keinen Finger. Ich rührte auch keinen Finger und gebe es zu, ohne mich zu schämen. Wenn meine Vernunft auch heftig gegen meinen natürlichen Instinkt aufzuleben und dazwischenzugehen ankämpfen mußte. Ich kannte das Leben. Was nützte es der Frau oder mir, wenn ich von den Fünfen am Ufer des Susquehanna zu Tode geprügelt wurde. Ich habe einmal zugesehen, wie ein Mann gehängt wurde, und wenn sich auch meine ganze Seele dagegen aufbäumte, kam doch kein Schrei aus meinem Munde. Hätte ich geschrien, wäre mir höchstwahrscheinlich mit dem Griff eines Revolvers der Schädel eingeschlagen worden, denn das Gesetz der Bande schrieb eben vor, daß er hängen mußte. Und hier in dieser Zigeunergruppe war es eben Gesetz, daß die Frau gepeitscht wurde. Dennoch bestand in beiden Fällen der Grund für mein Nichteingreifen nicht darin, daß es ein Gesetz gab, sondern darin, daß das Gesetz stärker war als ich. Wären nicht die vier Mann neben mir im Gras gewesen, hätte ich mich mit Vergnügen auf den mit der Peitsche geworfen. Und wenn man von der Möglichkeit absieht, daß einige Frauen des Lagers vielleicht mit Messern oder Knüppeln über mich hergefallen wären, hätte ich ihn zu Puppenlappen gehauen. Die vier lagen jedoch neben mir im Gras. Eben dadurch war ihr Gesetz stärker als ich. Ihr könnt mir glauben, ich litt auch mein Teil dabei. Es war nicht das erste Mal, daß ich ansehen mußte, wie eine Frau geschlagen wurde, aber nie hatte ich so etwas gesehen wie hier. Ihr Kleid war über der Schulter zu Fetzen zerpeitscht. Ein Hieb, den sie nicht abfangen konnte, hinterließ einen blutigen Striemen auf Kinn und Wange. Nicht ein Hieb oder zwei, nicht ein Dutzend Hiebe oder zwei trafen sie, sondern endlos, unaufhörlich pfiff die Peitsche und wand sich die Schnur um sie. Mir brach der Schweiß aus, ich keuchte und krallte mich mit den Händen ins Gras, bis ich es mit der Wurzel ausgerissen hatte. Und immerzu hämmerte mir mein Verstand ein: Du Narr! Du Narr! Als sie den Striemen ins Gesicht bekam, konnte ich mich beinahe nicht mehr halten.

Ich wollte aufspringen, aber der Mann neben mir streckte die Hand aus, packte mich an der Schulter und drückte mich herunter.

»Ruhig, Kumpel, ruhig Blut«, warnte er mich leise. Ich sah ihn an. Er blickte mir unverwandt in die Augen. Der Mann war hoch gewachsen, breitschultrig und muskelbepackt; sein Gesicht war träge, phlegmatisch, faul, wenn auch freundlich, aber ohne jede Leidenschaft und ganz und gar seelenlos - ein trüber, nicht boshafter, von moralischen Werten unberührter, sturer Kerl. Er war wie ein Tier und besaß höchstens einen schwachen Schimmer an Verstand, eine gutmütige Bestie mit der Kraft und dem geistigen Horizont eines Gorillas. Seine Hand drückte mich nieder, und man konnte sich leicht die Muskelkraft hinter diesem Griff vorstellen. Ich blickte die anderen vierschrötigen Gestalten an, zwei waren gänzlich unbewegt und teilnahmslos, und einer weidete sich an dem Schauspiel. Mein Verstand kam wieder zu seinem Recht, meine Muskeln erschlafften, ich ließ mich ins Gras fallen.

Ich dachte an die beiden alten Damen, mit denen ich heute morgen gefrühstückt hatte. Keine zwei Meilen Luftlinie trennten sie von dieser Szene. Hier an einem windstillen Tag und unter einer milden Sonne wurde eine ihrer Schwestern von einem meiner Brüder geschlagen.

Hier war eine Seite im Buch des Lebens, die sie nie lesen würden – und das war auch gut so. Da sie das Leben nicht kannten, wären sie auch weder in der Lage gewesen, diese ihre Schwestern zu verstehen noch sich selbst, auch hatten sie keine Ahnung, aus welchem Holz sie geschnitzt waren. Denn es ist dem Weib nicht gegeben, in parfümierten engen Zimmern zu leben und sich dennoch als kleine Schwester aller Menschen zu fühlen.

Die Auspeitschung war zu Ende, und die Frau, die nicht mehr schrie, kehrte zu ihrem Platz auf dem Wagen zurück. Die anderen Frauen gingen nicht zu ihr - nicht gleich jedenfalls. Sie hatten Angst. Aber sie kamen später, nachdem eine gewisse Anstandspause vergangen war.

Der Mann legte die Peitsche weg, kam zu uns herüber und warf sich neben mich ins Gras. Er keuchte nach der Anstrengung. Er wischte sich den Schweiß mit dem Jackenärmel aus den Augen und blickte mich herausfordernd an. Ich erwiderte seinen Blick, als ob nichts geschehen war; was er getan hatte, war nicht meine Sache. Ich ging nicht unvermittelt fort. Ich lag noch eine halbe Stunde länger da, was unter den Umständen von Taktgefühl und gutem Benehmen zeugte.

Ich drehte noch Zigaretten aus dem Tabak, den ich mir von ihnen borgte, und als ich die Böschung auf die Bahnstrecke hinunterglitt, hatte ich auch die nötigen Auskünfte erhalten, um den nächsten Güterzug in Richtung Süden zu erwischen.

Ja, aber was sollte das alles? Es war eine Seite aus dem Buch des Lebens, nichts weiter; und es gibt viele Seiten darin, die schlimmer, weit schlimmer sind als die, die ich gesehen habe. Ich habe mich so manches Mal darüber ausgelassen (im Scherz, so glaubten meine Zuhörer), daß das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Menschen und Tieren darin besteht, daß der Mensch das einzige Lebewesen ist, das die weiblichen Wesen seiner Gattung mißhandelt. Das ist etwas, das weder der Wolf noch der feige Kojote sich je zuschulden kommen lassen würden. Selbst ein Hund, den die Zähmung durch den Menschen degradiert hat, tut das nicht. Der Hund behält in dieser Hinsicht immer noch den Instinkt der Wildnis, während der Mensch die meisten Instinkte der Wildnis verloren hat - wenigstens die meisten guten Instinkte.

Schlimmere Seiten des Lebens, als ich sie beschrieben habe? Lest die Berichte über die Kinderarbeit in den Vereinigten Staaten - im Osten, Westen, Norden und Süden, ganz gleich, wo -, und lernt daraus, daß wir alle, Profitjäger, die wir sind, schlimmere Seiten in das Buch des Lebens drucken als jene eine Seite von der Mißhandlung einer Frau am Susquehanna.

Ich ging die Böschung etwa hundert Meter hinunter, bis zu einer Stelle, an der die Erde neben dem Gleis guten Halt bot. Hier konnte ich den Güterzug abpassen, wenn er langsam bergauf schnaufte, und hier fand ich auch ein halbes dutzend Landstreicher vor, die aus dem gleichen Grunde warteten. Einige spielten Siebzehn und Vier mit einem alten Kartenspiel. Ich machte mit. Ein Neger mischte die Karten. Er war dick und jung und hatte ein Mondgesicht. Es strahlte vor Gutmütigkeit, es triefte geradezu davon. Als er mir die erste Karte gab, hielt er inne und rief:

»Mensch, wir haben uns doch schon mal wo gesehen.«

»Klar«, erwiderte ich, »bloß 'ne andere Kluft hast du damals angehabt.«

Er war verblüfft.

»In Buffalo war das, stimmt's?« forschte ich.

Dann fiel es ihm ein. Mit Gelächter und großem Hallo begrüßte er mich als alten Kumpel. In Buffalo war seine Kleidung gestreift gewesen, während er seine Zeit in der Strafanstalt der Grafschaft Erie absaß. Was das anbelangt, war meine Kleidung damals auch gestreift, denn ich hatte ebenfalls meine Zeit dort abgesessen.

Das Spiel ging weiter, und ich erfuhr, worum überhaupt gespielt wurde. Die Böschung hinunter, die weiter zum Flußufer abfiel, führte ein steiler, schmaler Pfad zu einer Quelle, die etwa zehn Meter unter uns lag. Wir saßen oben am Rande der Böschung. Derjenige, der verlor, mußte in einer kleinen Büchsenmilchdose den Gewinnern Wasser holen.

Die erste Runde verlor unser Schwarzer. Er nahm die kleine Milchbüchse und kletterte die Böschung hinunter, während wir oben saßen und ihn frotzelten. Wir tranken wie Kälber. Für mich allein mußte er viermal gehen, und die anderen hatten einen ebenso mächtigen Durst. Der Pfad war sehr steil, und mitunter rutschte der Neger aus, wenn er schon halb oben war, verschüttete das Wasser und mußte wieder zurück, um neues zu holen. Aber er wurde nicht ärgerlich. Er lachte genauso von Herzen wie wir. Deshalb rutschte er auch so oft aus. Er versicherte uns, daß er gewaltige Mengen trinken würde, wenn ein anderer verlöre.

Als unser Durst gestillt war, begannen wir ein neues Spiel. Wieder verlor der Neger, und wieder tranken wir nach Herzenslust. Ein drittes und ein viertes Spiel endeten genauso; und jedesmal starb unser dunkles Mondgesicht fast vor Vergnügen über das Geschick, das Fortuna ihm zuteilte. Und wir starben bald mit ihm, kein Wunder bei unserem Spaß. Wir lachten wie sorglose Kinder oder Götter dort oben am Rande der Böschung. Ich weiß noch, daß ich so lange lachte, bis ich glaubte, mir würde der Kopf platzen, und ich trank so viel aus der Milchdose, daß ich beinahe so voll Wasser war wie ein absaufender Kahn. Dann fingen wir allen Ernstes an, darüber zu diskutieren, ob wir den Güterzug überhaupt erreichen würden, wenn er die Steigung heraufkam, da wir doch so viel Wasser getrunken hatten. Dieses Gerede gab unserem Mohren fast den Rest. Er mußte das Wasserholen für mindestens fünf Minuten einstellen, weil er im Gras lag und sich vor Lachen wälzte.

Die länger werdenden Schatten reichten immer weiter über den Fluß. Die sanfte, kühle Dämmerung kam heran, und wir tranken noch immer Wasser, und unser ebenholzfarbener Mundschenk brachte uns immer noch mehr. Die Mißhandlung der Frau, die erst eine Stunde zurücklag, war vergessen. Es war eine Buchseite, die man las und umblätterte; ich war jetzt in eine neue Seite vertieft, und wenn die Lokomotive pfeifend die Steigung heraufkam, würde auch diese Seite zu Ende sein und eine neue beginnen. Und so blättert man unaufhörlich Seite um Seite im Buch des Lebens - wenn man jung ist.

Dann spielten wir eine Runde, die der Schwarze nicht verlor. Das Opfer war ein dürrer Tramp, der aussah, als ob er ein Magenleiden hatte. Er hatte am wenigsten von uns allen gelacht. Wir meinten, daß wir kein Wasser mehr wollten - was auch stimmte. Nicht einmal die Schätze des Morgenlandes hätten mich veranlaßt, auch nur noch einen Tropfen hinunterzubringen, und auch mit Preßluft hätte man nichts mehr in meinen aufgeschwemmten Leib drücken können. Unser Neger war enttäuscht, nutzte dann aber die Situation und meinte, er möchte etwas Wasser haben. Er wollte auch wirklich. Er bekam sein Wasser und dann mehr und noch mehr. Je öfter der trübsinnige Tramp die steile Böschung hinauf- und hinabkletterte, je mehr Wasser verlangte unser Mohr. Er trank mehr Wasser als wir alle zusammen. Die Dämmerung ging in die Nacht über, die Sterne kamen heraus, und er trank immer noch. Ich glaube wirklich, er würde immer noch dasitzen und Wasser und Rache schlürfen, während der trübsinnige Tramp sich hinab- und heraufmühte.

Aber der Güterzug pfiff. Diese Seite war gelesen. Wir sprangen auf und verteilten uns am Bahndamm. Keuchend und qualmend kam die Lok die Steigung herauf, ihr Feuerschein verwandelte die Nacht in Tag und ließ uns in scharfen Umrissen auf dem dunklen Hintergrund aufleuchten. Die Lokomotive fuhr vorüber, wir rannten alle mit dem Zug mit, einige hängten sich an die Trittleitern, andere stießen die Seitentüren leerer Waggons auf und kletterten hinein. Ich selbst erwischte einen Rungenwagen mit Bauholz verschiedener Länge, suchte mir eine gemütliche Lücke und kroch hinein. Ich lag auf dem Rücken, eine Zeitung als Kopfkissen. Über mir funkelten die Sterne und schwangen hin und her, wenn der Zug durch Kurven fuhr. Und während ich sie betrachtete, schlief ich ein. Der Tag war vorbei – ein Tag meines Lebens. Morgen würde ein neuer Tag anbrechen, und ich war jung.

 

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