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Повесть «Зов предков» (Der Ruf der Wildnis) на немецком языке – читать онлайн

Повесть «Зов предков» (Der Ruf der Wildnis) на немецком языке – читать онлайн, автор книги – Джек Лондон. Книга «Зов предков» также является одним из самых известных произведений Джека Лондона. Она была написано в 1903-м году, а позже переведена на многие самые распространённые языки мира. Основой для этой повести и множества других рассказов послужило путешествие Джека Лондона на Аляску в 1897-м году.

Остальные рассказы, повести и романы, которые написал Джек Лондон, а также много других литературных произведений известных писателей можно читать онлайн в разделе «Книги на немецком» (для детей создан раздел «Сказки на немецком»).

Для тех, кто самостоятельно изучает немецкий язык по фильмам, создан раздел «Фильмы на немецком языке» (для детей есть раздел «Мультфильмы на немецком»).

Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с преподавателем, есть информация на странице «Немецкий по скайпу».

 

Теперь переходим к чтению повести «Зов предков» (Der Ruf der Wildnis) на немецком языке. На этой странице выложены первые 2 главы книги, а ссылка на продолжение повести «Зов предков» (Der Ruf der Wildnis) будет в конце страницы.

 

Der Ruf der Wildnis

 

In die Wildnis

Buck las keine Zeitung, sonst hätte er gewußt, daß sich Unheil zusammenbraute, nicht nur für ihn selbst, sondern für jeden Hund, der starke Muskeln und langes, dichtes Haar hatte. Die Menschen hatten sich in die arktische Dunkelheit vorgewagt und ein gelbes Metall gefunden; und seitdem Schiffs- und Eisenbahngesellschaften begannen, auch diese öden Gegenden zu erschließen, zog es Tausende von Männern in das Nordland. Und diese Männer brauchten Hunde, Hunde mit kräftigen Knochen und dichtem Haar, die auch bei der bittersten Kälte den größten Anstrengungen gewachsen waren.

Bucks Heimat war ein großes Haus im sonnendurchfluteten Tal von Santa Clara. Es lag ein wenig abseits der Straße, halb versteckt unter Bäumen, durch die man die luftige Veranda sehen konnte, die rings um das stattliche Haus lief. Zwischen grünen Rasenflächen führte ein kiesbestreuter Weg gerade darauf zu. Hinter dem Haus lagen die weinumrankten Wohnungen der Dienerschaft, die Wirtschaftsgebäude und große Pferdestallungen, langgestreckte Laubengänge, Obstgärten und daran anschließend ausgedehnte Weideplätze. Es gab eine Pumpanlage für den Springbrunnen und ein großes Wasserbecken, in dem die Söhne des Farmers ihr Morgenbad nahmen oder sich an heißen Nachmittagen abkühlten.

Und über dieses große Reich herrschte Buck. Hier wurde er geboren, und hier verbrachte er die ersten vier Jahre seines Lebens. Freilich, es gab auf Millers Farm noch andere Hunde, wie es sich für einen so großzügigen Betrieb schickte, aber sie zählten nicht viel. Sie kamen und gingen, bevölkerten die Zwinger oder hielten sich im Haus auf, wie Toot, der dicke japanische Mops, oder Bella, der winzigkleine mexikanische Pinscher, seltsame Wesen, die kaum ihre Nasen zur Tür heraussteckten. Miller besaß auch noch etwa zwanzig Terrier, eine freche Gesellschaft, die drohend kläffte, sobald sie Toot und Bella am Fenster erblickte. Sie trieben es manchmal so arg, daß die Dienstmädchen sich mit Besenstielen bewaffneten und eingriffen, um Ordnung zu schaffen.

Buck aber war weder ein Haus- noch ein Kettenhund. Er war der Herr des ganzen Reiches. Er schwamm mit den Söhnen des Pflanzers im Wasserbecken oder ging mit ihnen auf die Jagd. Er begleitete Mollie und Alice, die beiden Töchter, auf ihren langen Streifzügen, und an den Winterabenden lag er zu Millers Füßen vor dem lodernden Kaminfeuer der Bibliothek. Er ließ die Enkelkinder auf seinem breiten Rücken reiten, balgte sich mit ihnen im Gras herum oder behütete ihre Schritte auf den Entdeckungsreisen durch die Ställe, den Park und die Obstgärten. Mit den Allüren eines Königs schritt er durch die Meute der anderen Hunde, und die beiden Schoßhündchen beachtete er überhaupt nicht, er, der Herrscher über alles.

Schon sein Vater Elmo, ein riesiger Bernhardiner, war der unzertrennliche Gefährte seines Herrn gewesen, und Buck versprach, seinem Vater in allen Dingen nachzugeraten. So groß wie er war er freilich nicht – er wog nur hundertvierzig Pfund –, denn seine Mutter war eine schottische Schäferhündin gewesen. Aber sein stolzes, würdevolles Benehmen glich die fehlende Größe aus, und wenn er so mit erhobenem Haupt herumstolzierte, war jeder Zoll an ihm adelig.

Und in der Tat, die ersten vier Jahre seines Lebens verbrachte er wie ein Edelmann. Trotzdem wurde aus ihm kein verzärtelter Haushund, dafür sorgten die Jagd und andere Spiele im Freien, die ihn nicht nur davor bewahrten, Fett anzusetzen, sondern ihm auch zu kräftigen Muskeln verhalfen.

So war die Lage, als im Herbst des Jahres 1897 die großen Goldfunde in Klondike Männer aus allen Ländern der Welt nach dem Norden lockten. Da aber Buck, wie gesagt, keine Zeitung las, so erfuhr er von alldem nicht das geringste. Leider wußte er auch nicht, daß Manuel, der Gärtnergehilfe, keine sehr wünschenswerte Bekanntschaft für ihn war. Manuel hatte eine schlechte Eigenschaft: er spielte. Und da er nach einem bestimmten System spielte, das selten gewann, brauchte er Geld, viel Geld, und sein Lohn als Hilfsgärtner reichte nie aus.

Ein Abend, an dem sein Herr einer Versammlung beiwohnte und die Söhne die Gründung eines Sportklubs berieten, wurde Buck zum Verhängnis. Niemand hörte, wie Manuel Buck zu sich rief, und kein Mensch bemerkte es, wie er mit ihm über die Felder ging, als wollte er einen kleinen Spaziergang unternehmen. Auch Buck glaubte an nichts anderes. Ebensowenig sah es jemand, daß aus dem Schatten des kleinen Bahnhofsgebäudes ein Mann hervortrat, mit Manuel einige Worte wechselte und ihm Geld in die Hand drückte.

»Du hättest die Ware gleich anständig verpacken können«, brummte der Mann mürrisch. Manuel zog einen festen Strick aus der Tasche und legte ihn Buck um den Hals.

»Zieh nur fest an, dann wird ihm der Atem schon ausgehen«, riet Manuel, und der Unbekannte grinste zustimmend.

Buck hatte alles mit ruhiger Würde über sich ergehen lassen. Recht war es ihm freilich nicht, aber er hatte gelernt, den Menschen zu vertrauen und ihnen Kenntnisse zuzubilligen, die seine eigenen übertrafen. Als jedoch Manuel die Enden des Strickes in die Hände des Fremden legte, knurrte er drohend. Er wollte damit bloß sein Mißfallen zum Ausdruck bringen, weiter nichts. Er wollte nur zeigen, daß er mit fremden Leuten nichts zu tun haben mochte. Doch zu seinem peinlichen Erstaunen schnürte sich der Strick um seinen Hals zusammen und raubte ihm den Atem. Wütend sprang er den Mann an, der aber packte ihn an der Gurgel und warf ihn zu Boden. Buck zerrte verzweifelt an dem Strick, vergebens, immer fester zog sich die Schlinge um seinen Hals zusammen, seine Zunge hing weit heraus, und die mächtige Brust hob und senkte sich keuchend. Nie in seinem Leben war er so niederträchtig behandelt worden, und noch niemals hatte er eine solche Wut gefühlt. Aber seine Kraft ließ nach, und seine Augen wurden glasig. Er sah nicht mehr, daß der Zug kam und anhielt, und er spürte nicht, daß man ihn in den Gepäckwagen warf.

Als er wieder zu sich kam, fühlte er ein sonderbares Rütteln. Der heisere Pfiff einer Lokomotive sagte ihm, wo er war, denn er hatte schon öfters mit seinem Herrn Reisen unternommen und er kannte auch das Rütteln und Schütteln in einem Gepäckwagen. Buck öffnete langsam seine Augen und sah um sich mit dem zornigen Blick eines geraubten Königs. Der Mann neben ihm griff hastig nach dem Strick, aber Buck war schneller als er. Seine Zähne gruben sich tief in die Hand des Mannes ein und ließen sie erst wieder los, als die Schlinge ihm erneut die Besinnung raubte.

»Er hat Anfälle!« sagte der Mann und verbarg seine verletzte Hand vor dem Wagenmeister, der durch den Lärm des Kampfes aufmerksam geworden war. »Ich bring’ ihn im Auftrag seines Herrn nach Frisco. Der Narr von einem Hundedoktor dort glaubt, er könne ihn kurieren. Lumpige fünfzig kriege ich dafür neben der Fahrt. Ich würd’s kein zweites Mal machen, nicht für fünfhundert!«

Er umwickelte seine Hand mit einem schmutzigen Taschentuch und sah mit Bedauern auf seine bis zu den Knien aufgeschlitzte Hose hinab.

»Wenn nur keine Tollwut daraus wird!« meinte er ängstlich.

»Wird schon nicht«, lachte der Wagenmeister, »aber nun los, wir können den Hund hier nicht liegen lassen.«

Halb betäubt durch den unerträglichen würgenden Schmerz in der Kehle versuchte Buck trotzdem, sich seinen Peinigern entgegenzustellen, aber er wurde niedergeworfen und in einen käfigähnlichen Verschlag gestoßen, nachdem man den Strick von seinem Hals gelöst hatte.

Hier lag er nun für den Rest der Nacht, geladen mit Groll und verletztem Stolz. Er konnte nicht verstehen, was das alles bedeuten sollte. Was hatten sie mit ihm vor, diese fremden Männer? Warum hielten sie ihn in diesem Käfig eingeschlossen? Er fühlte dumpf, daß ihm ein großes Unglück bevorstand. Jedesmal wenn die große Schiebetür in ihren Angeln kreischte, glaubte er, daß sein Herr oder dessen Kinder hereintreten würden. Aber stets war es nur das aufgedunsene Gesicht des Wagenmeisters, der ihn im flackernden Schein der Laterne anstarrte, und sein freudiges Bellen verwandelte sich jedesmal in ein wildes Knurren.

Erst bei Morgengrauen hielt der Zug, und vier Männer stiegen ein, zerrissene und ungepflegte Kerle. Noch mehr Quälgeister, dachte Buck und sprang wütend gegen die Latten des Verschlages, aber sie lachten nur, steckten ihre Stöcke in den Käfig und stießen nach ihm. Er schnappte nach ihren Prügeln, bis er daraufkam, daß es gerade das war, worauf sie warteten, und daß sie daran ihren Spaß hatten.

Da legte er sich trotzig nieder, und als die Männer den Käfig aufhoben und forttrugen, wehrte er sich nicht mehr. Nach vielen Stunden, es war schon Abend, brachte man ihn auf ein Fährboot, das einen Fluß übersetzte, von dort verlud man ihn wieder in den Gepäckwagen eines Schnellzuges, wo er zwischen vielen Kisten und Koffern verstaut wurde. Zwei Tage und zwei Nächte dauerte die Fahrt im Schnellzug, und zwei Tage und zwei Nächte erhielt Buck weder zu fressen noch zu trinken. In seiner Verzweiflung hatte er die ersten Annäherungsversuche der Bahnangestellten mit bösem Knurren beantwortet, und sie vergalten es ihm mit Spott und schlechter Pflege. Wenn er sich bebend und schäumend vor Wut gegen die Stangen warf, lachten sie ihn aus und reizten ihn. Sie bellten wie elende Hunde oder miauten wie Katzen, schlugen mit den Armen und krähten. Buck wußte, daß sie ihn mit diesen Albernheiten nur reizen wollten, aber gerade deshalb fühlte er sich in seiner Ehre gekränkt, und sein hilfloser Zorn wuchs und wuchs. Der Hunger wäre noch zu ertragen gewesen, aber er litt unter dem quälenden Durst. Seine geschundene, aufgeschwollene Zunge entzündete sich, und Fieber schüttelte ihn.

Eines aber tröstete ihn: Der Strick von seinem Nacken war weg! Der Strick hatte seinen Feinden einen unfairen Vorteil verschafft, jetzt aber, da er weg war, würde er es ihnen allen zeigen!

In diesen zwei Tagen und Nächten, in denen er nichts zu fressen und nichts zu trinken erhielt, sammelte sich ein dumpfer, wilder Zorn in ihm an, der zum Ausbruch kommen mußte und jenem, der ihm als erster gegenübertrat, Unheil verhieß. Seine Augen wurden blutunterlaufen, und er verwandelte sich in einen rasenden Bösewicht. So sehr verändert sah er aus, daß selbst sein Herr ihn nicht wiedererkannt hätte.

Die Bediensteten waren froh und atmeten erleichtert auf, als er am Morgen des dritten Tages in Seattle ausgeladen wurde. Vier Männer trugen den Holzverschlag behutsam in einen von hohen Mauern umgebenen Hinterhof. Ein kräftiger, untersetzter Mann in einem roten, am Hals etwas zu weiten Sweater kam ihnen entgegen, nahm den Leuten den Frachtschein ab und bestätigte den Empfang. Und Buck fühlte, daß dieser Mann der nächste Peiniger war. Mit gesträubten Rückenhaaren warf er sich gegen die Latten seines Gefängnisses. Der Mann lächelte nur höhnisch und holte ein Beil und einen starken Stock.

»Ihr wollt ihn doch nicht etwa herauslassen?« fragte einer der Männer.

»Gewiß!« entgegnete der Rote und trieb das Beil in die Kiste, um eine Öffnung zu schaffen.

Im Nu war der Platz wie leergefegt. Von einer hohen Mauer aus warteten die Zuschauer neugierig auf das kommende Schauspiel.

Buck stürzte sich auf das splitternde Holz und verbiß sich darin. Sooft die Axt eine Latte losgelöst hatte, versuchte er den Mann anzugehen, der ruhig weiterarbeitete, bis die Öffnung groß genug war.

»Heraus mit dir, du rotäugiger Teufel!« rief er, ließ das Beil fallen und faßte den Stock mit der rechten Hand.

Wahrhaftig, Buck sah wie ein Teufel aus, als er, die Haare gesträubt, Schaum vor dem Mund und ein irres Leuchten in seinen blutunterlaufenen Augen, zum Sprung ansetzte. Pfeilgerade schnellte er seine mit Haß und Leidenschaft vollgestopften hundertvierzig Pfund gegen seinen Widersacher. Mitten im Sprung, gerade als er seine gewaltigen Zähne in den Hals des Mannes verbeißen wollte, erhielt er einen Schlag, wie er ihn noch nie gefühlt hatte. Seine Kiefer schlossen sich knirschend, er taumelte und fiel auf den Rücken. Noch nie in seinem Leben hatte ihn jemand mit einem Knüppel niedergeschlagen, er verstand nicht, was mit ihm geschehen war. Mit einem Aufheulen, das eher dem Fauchen eines Raubtieres als dem Bellen eines Hundes glich, sprang er auf und griff wieder an. Noch einmal traf ihn dieser entsetzliche Schlag, der ihn niederwarf, und er wußte nun, daß es der Knüppel war, aber seine Raserei ließ ihn jede Vorsicht vergessen. Ein dutzendmal noch setzte er zum Angriff an, und ebensooft schmetterte ihn der Stock zu Boden.

Nach einem besonders kräftigen Schlag erhob er sich mühsam, zu betäubt, um nochmals zu springen. Er taumelte kraftlos umher, Blut floß aus Nase, Maul und Ohren, und sein schönes Fell wurde mit blutigem Geifer besudelt. Der Rote kam näher und versetzte ihm wohlüberlegt einen furchtbaren Hieb auf die Schnauze. Alles, was Buck bisher erduldet hatte, war nichts im Vergleich zu der ausgesuchten Pein dieses Schlages. Mit einem fast löwenähnlichen Aufbrüllen warf er sich wieder auf den Mann. Der Rote ließ den Stock fallen, packte den Hund mit beiden Händen kaltblütig am Unterkiefer und schleuderte ihn hin und her und warf ihn mit solcher Gewalt auf die Erde, daß Buck bewußtlos liegenblieb.

Von der Mauer her ertönte Beifall.

»Zum Donnerwetter, der versteht sein Geschäft!« schrie einer der Männer enthusiastisch.

Buck kam bald wieder zu sich, aber er hatte keine Kraft mehr. Er blieb liegen, wo er niedergefallen war, und belauerte den Mann mit dem roten Sweater, der nun einen Brief in der Hand hielt und ihn aufmerksam durchlas.

»Hört auf den Namen Buck«, murmelte er halblaut vor sich hin, faltete das Schreiben zusammen und ließ es in seiner Tasche verschwinden.

»Also Buck heißt du, alter Knabe«, fuhr er mit freundlicher Stimme fort, »wir haben unseren kleinen Auftritt gehabt, und das beste, was wir tun können, ist, es dabei zu belassen. Du kennst nun deinen Platz, und ich kenne meinen. Sei ein braver Hund, dann ist alles in Ordnung. Bist du ein böser Hund, dann räum’ ich dir das Wilde ’runter. Verstanden?«

Er tätschelte beim Sprechen furchtlos den Schädel, auf den er so mitleidlos eingehämmert hatte. Bucks Haare sträubten sich zwar bei der Berührung durch seinen Peiniger, er blieb aber still liegen und trank auch das Wasser, das ihm der Mann hinstellte, und verschlang gierig die Fleischstücke, die ihm die Hand reichte, die vordem so erbarmungslos zugeschlagen hatte.

Er war besiegt, das wußte er, aber sein Stolz war nicht gebrochen. Er hatte gelernt, daß er gegen einen Mann mit einem Stock nichts ausrichten konnte, und er sollte diese Lehre sein ganzes Leben nicht vergessen.

Die Tage vergingen, und immer mehr Hunde bevölkerten den kleinen, mit Mauern umgebenen Hof. Manche kamen wie er in Käfigen an, andere wurden an der Leine geführt, manche zahm und ergeben, manche rasend und heulend wie er, aber alle mußten sich der Herrschaft des Mannes im roten Sweater beugen. Jedesmal wenn Buck bei einem dieser brutalen Schauspiele zusah, wurde ihm die Lehre eingehämmert: Ein Mann mit einem Prügel ist ein Gesetzgeber, ein Herr, dem man gehorchen muß, dem man aber nicht zu schmeicheln braucht. Dieser Charakterschwäche machte sich Buck nie schuldig, obwohl es besiegte Hunde gab, die den Mann umwarben, mit dem Schwanz wedelten und seine Hand leckten. Aber Buck sah auch einen Hund, der sich nicht unterwerfen wollte und der schließlich im Kampf mit dem Mann um die Oberhand erschlagen wurde.

Dann und wann kamen auch Männer, Fremde, die erregt und in allen möglichen Sprachen auf den Mann im roten Sweater einredeten. Und jedesmal wenn Geld in seine Hand gedrückt wurde, nahmen die Fremden einen oder mehrere Hunde mit. Keiner von ihnen kehrte wieder zurück, und Buck hätte nur zu gerne wissen wollen, wohin man sie führte. Dennoch freute er sich jedesmal, wenn nicht er an die Reihe kam, denn er hatte Furcht vor einer Zukunft, die nichts Gutes verhieß.

Aber auch seine Zeit kam, und zwar in der Gestalt eines kleinen, dürren Mannes, dessen Englisch kaum verständlich war und der mit Ausdrücken herumwarf, die Buck gänzlich unbekannt waren.

»Gott verdamm mich!« schrie er, als er Buck zu Gesicht bekam, »das ist eine feine Riesenhund. Wieviel kostet er?«

»Dreihundert, und geschenkt ist er!« war die prompte Antwort des Roten. »Seid nicht schäbig, Perrault! Es geht nicht aus Eurer Tasche und ist obendrein ein gutes Geschäft.«

Perrault grinste. Die Hundepreise waren durch die ungewöhnliche Nachfrage in die Höhe geschnellt, und dreihundert waren keine übermäßige Summe für ein so schönes Tier. Bei diesem Handel war die kanadische Regierung kein Verlierer und ihre Kuriere würden um so schneller vorwärtskommen. Perrault verstand etwas von Hunden, und als er Buck anschaute, wußte er, daß er der Beste unter Tausenden war. »Einer unter Zehntausenden«, wiederholte er bei sich.

Wieder erhielt der Rote Geld in die Hand gedrückt, und Buck war gar nicht erstaunt, als Curly, eine gutmütige Neufundländerin, und er von dem kleinen, mageren Mann weggeführt wurden. Er sollte den Mann mit dem roten Sweater niemals wiedersehen, und als er vom Deck der »Narwhal« auf das entschwindende Seattle blickte, nahm er auch von dem sonnigen Süden für immer Abschied.

Perrault schaffte die beiden Hunde ins Zwischendeck und übergab sie dort einem schwarzhaarigen Riesen, der François hieß. Perrault war dunkelhäutig, aber François, ein Halbblut, war noch dunkelhäutiger, beinahe schwarz. Es war eine neue Art von Menschen für Buck, und er sollte noch viele ihrer Art kennenlernen. Er empfand für sie keine besondere Zuneigung, aber er lernte sie schätzen. Er erkannte bald, daß Perrault und François richtige Männer waren, besonnen und gerecht und zu erfahren mit den Schlichen der Hunde, um von ihnen zum besten gehalten zu werden.

Auf dem Zwischendeck der »Narwhal« kamen Buck und Curly noch mit zwei anderen Hunden zusammen. Der eine von ihnen war ein großer, schneeweißer Kerl aus Spitzbergen, der früher dem Kapitän eines Walfängers gehört und schon eine geologische Vermessungsexpedition in die Arktis begleitet hatte. Er war freundlich, aber heimtückisch, und wenn er am liebenswürdigsten war, sann er über irgendeine Lumperei nach. Gleich bei der ersten Mahlzeit stahl er aus Bucks Schüssel einen großen Fleischbrocken. Ehe sich Buck wehren konnte, sauste schon François’ Peitsche durch die Luft und traf den Rücken des Übeltäters, und Buck konnte sich seinen Knochen wieder zurückholen. Das war von François sehr, sehr anständig, fand er, und das Halbblut begann in seiner Achtung zu steigen.

Der andere Hund, der noch da war, duldete keine Annäherung, war aber auch nicht darauf aus, den Neulingen etwas zu stehlen. Er war ein düsterer, mürrischer, in sich gekehrter Bursche, dem es am liebsten war, ungeschoren zu bleiben. Curly, die diesen Wunsch nicht respektierte und versuchte, sich anzubiedern, bekam ihn sofort von der unangenehmsten Seite zu spüren. Er wurde Dave genannt. Er fraß, schlief oder gähnte und kümmerte sich um nichts. Selbst als die »Narwhal« beim Überqueren des Königin-Charlotte-Sunds rollte, stampfte und bockte wie ein wildes Pferd und Buck und Curly halb wahnsinnig vor Angst außer sich gerieten, hob er nur verärgert seinen Kopf, blickte mürrisch um sich, gähnte und schlief weiter.

Tag und Nacht stampfte das Schiff nach dem Takt der Maschine; ein Tag war wie der andere, aber Buck merkte ganz deutlich, daß die Luft rauher und kälter wurde. Eines Tages stand die Schiffsschraube still, und auf der »Narwhal« machte sich ein aufgeregtes Durcheinander bemerkbar. Die Hunde fühlten, daß es mit dem Einerlei des Bordlebens zu Ende war. François koppelte sie an und brachte sie an Deck. Beim ersten Schritt an Land sanken Bucks Füße in ein weiches, weißes Etwas, das fast wie Schlamm war. Schnaubend sprang er zurück. Auch vom Himmel fiel dieses weiße Zeug herab, und je mehr er versuchte, es abzuschütteln, desto mehr fiel auf ihn herunter. Er schnupperte neugierig daran herum und beleckte es vorsichtig mit der Zunge. Zuerst biß es wie Feuer, aber im nächsten Augenblick war es nicht mehr da. Das verwirrte ihn. Die Zuschauer brüllten vor Vergnügen, und Buck begann sich zu schämen. Er verstand nicht, warum sie lachten. Woher sollte er auch wissen, daß es Schnee war?

 

Das Recht des Stärkeren

Der erste Tag auf dem Strand von Dyea war für Buck ein böser Alptraum. Was er sah, versetzte ihn in Erschrecken oder verblüffte ihn. Ohne Übergang war er von einem Leben in der Zivilisation in das der Wildnis geworfen worden. Das war kein träges, beschauliches Leben im Sonnenschein, hier gab es weder Ruhe noch Rast und keine persönliche Sicherheit. In jedem Augenblick drohte eine Gefahr. Man mußte ständig auf der Hut sein, denn hier herrschte weder Recht noch Sitte.

Die Hunde waren keine Stadthunde und die Männer keine Stadtleute. Sie waren Wilde, die nur das Recht des Stockes und der Peitsche anerkannten. Nie hätte er solche Kämpfe für möglich gehalten, wie sie sich hier abspielten, und nie würde er den Tag vergessen, an dem er zum erstenmal einem solchen Kampf zusehen mußte, dem Curly zum Opfer fiel. Die Lehre, die er daraus zog, blieb ihm unvergeßlich.

Sie lagerten in der Nähe eines großen Holzstoßes, als Curly in ihrer freundlichen Art an einem Wolfshund herumschnüffelte. Ohne Warnung, ohne Knurren machte der Köter einen blitzartigen Satz, ein metallisches Zuschnappen der Zähne folgte, und Curlys Schnauze war von den Augen bis zum Kiefer aufgerissen.

Dieses blitzschnelle Zuschlagen entsprach der Kampfesweise der Wölfe, ebenso der weitere Verlauf des Streites. Dreißig oder vierzig Huskies, so hießen die zottigen Polarhunde, kamen herbeigelaufen und umkreisten schweigend mit einem gierigen Ausdruck die Kämpfenden.

Buck verstand nicht, was sie wollten, begriff nicht diese schweigende Erwartung. Curly sprang in heller Wut auf ihren Gegner los, der aber geschickt auswich, gleichzeitig aber doch Gelegenheit fand, sie wieder zu beißen. Nochmals griff Curly an, und nochmals verstand der Wolfshund sich zu decken, dann warf er sich so kräftig auf Curly, daß diese das Gleichgewicht verlor, taumelte und zu Boden fiel. Sie kam nicht mehr hoch. Darauf hatten die Huskies gewartet. Sie stürzten sich heulend über sie her, und die Hündin wurde, vor Schmerz jaulend, unter einem Knäuel struppiger Hundeleiber begraben.

So plötzlich und unerwartet war dies alles geschehen, daß Buck der Atem wegblieb. Er sah, wie Spitz voll Schadenfreude seine scharlachrote Zunge herausstreckte, er sah, wie François eine Axt ergriff und in die kämpfende Meute sprang. Drei Männer, mit Knütteln bewaffnet, halfen ihm, sie auseinander zu treiben. Nach ein paar Minuten war der Platz leergefegt, nur Curly lag schlaff und leblos, eine blutige Masse, auf dem weißen, zertrampelten Schnee, buchstäblich in Stücke zerrissen. Das Halbblut stand daneben und fluchte wütend.

Buck konnte diesen Anblick niemals mehr vergessen, selbst im Traum noch wurde er von ihm verfolgt. Jetzt wußte er, wie es hier war: keine Ritterlichkeit, kein ehrliches Spiel. Wer am Boden lag, kam nicht mehr auf, war erledigt. Sich nicht unterkriegen zu lassen, das war die Hauptsache. Spitz stand noch immer da, ließ seine Zunge heraushängen, und Schadenfreude glänzte aus seinen Augen. Von diesem Augenblick an haßte ihn Buck mit einem bitteren, nie endenden Groll. Spitz hatte einen Todfeind erhalten.

Noch ehe Buck sich von dem schrecklichen Ende Curlys erholt hatte, wurde er aufs neue beunruhigt. François schnallte ihm wie einem Pferd Riemen und Seile an. Und wie ein Pferd spannte man ihn mit den anderen Hunden vor einen Schlitten. Er mußte François in den Wald ziehen und mit einer Ladung Brennholz zurückkehren. Er war zum Arbeitstier geworden. Seine Würde war schwer verletzt, aber er war zu klug, sich dagegen aufzulehnen. Er unterwarf sich und tat sein Bestes, obwohl ihm alles neu und fremd war. François war ein strenger Herr und verlangte unbedingten Gehorsam, den er sich mit seiner Peitsche verschaffte.

Dave war ein erfahrener Zughund und schnappte sofort nach Buck, wenn dieser etwas falsch machte, während Spitz, der als Leithund ganz vorne ging, nur drohend knurrte oder sich so geschickt mit seinem Gewicht in die Stange warf, daß Buck in die richtige Spur zurückgezogen wurde. Buck lernte leicht, und unter der Aufsicht seiner Kameraden und des Halbblutes machte er schnell Fortschritte. Nach seiner ersten Fahrt schon wußte er, daß er bei »Brr!« stehenbleiben, bei »Hüh!« anziehen mußte. Er lief die Kurven in einem großen Bogen aus und hielt sich von den Kufen fern, wenn der beladene Schlitten bergab schoß.

»Drei sehr gute Hunde«, sagte François zu Perrault. »Dieser Buck, er zieht wie der Teufel. Ick lehre ihm so schnell wie nur etwas.«

Nachmittags brachte Perrault, der es mit der Abreise sehr eilig hatte, noch zwei Hunde. Billie und Joe hießen sie, zwei Brüder und richtige Eskimohunde.

Obwohl Söhne derselben Mutter, unterschieden sie sich wie Tag und Nacht. Billies größter Fehler war seine übermäßige Gutmütigkeit, während Joe gerade das Gegenteil war, unfreundlich und verdrossen. Er knurrte ständig und hatte einen bösen Blick. Buck nahm sie als Kameraden auf, Dave beachtete sie nicht, Spitz ging sofort daran, ihnen seine Führerschaft zu zeigen. Billie kam ihm schwanzwedelnd entgegen, aber als sich die scharfen Zähne von Spitz in seine Flanken gruben, suchte er jaulend das Weite. Bei Joe versagte diese Methode, und als ihn Spitz umkreiste, wirbelte er herum und bot ihm keine Blöße. Er zeigte seine Zähne, sträubte das Fell, legte die Ohren zurück und knurrte wütend. Seine Augen funkelten so angriffslustig, daß sich Spitz zurückzog, sich dafür aber an dem harmlosen Billie schadlos hielt.

Gegen Abend führte Perrault noch einen Hund herbei, einen alten Husky, lang, hager und dürr, über und über mit Narben bedeckt, mit nur einem Auge, das so furchtlos blickte wie zwei gesunde.

Er hieß Solleks, der Brummige, und diesen Namen trug er mit Recht. Wie Dave verlangte er nichts, er gab nichts und erwartete auch nichts. Und als er sich langsam und bedächtig in ihrer Mitte niederließ, ließ ihn sogar Spitz in Frieden.

Er hatte eine Eigentümlichkeit, und Buck hatte das Pech, als erster damit Bekanntschaft zu machen. Er konnte es nicht vertragen, wenn jemand auf seiner blinden Seite auf ihn zukam. Dieses Vergehens machte sich Buck, ohne es zu wissen, schuldig. Erst als Solleks auf ihn loswirbelte und seine Schulter drei Zoll lang aufschlitzte, dämmerte ihm diese Erkenntnis auf. Nachher vermied Buck stets seine blinde Seite und hatte bis ans Ende ihrer Kameradschaft keine Unannehmlichkeiten mehr. Solleks wollte wie Dave in Ruhe gelassen werden, aber beide besaßen noch einen ganz besonderen Ehrgeiz, wie Buck später entdecken sollte.

In seiner ersten Nacht wußte Buck nicht, wo er schlafen sollte. Das vom Kerzenlicht erleuchtete Zelt lag friedlich und einladend inmitten der weißen Ebene, aber als er hineinging, wurde er von Perrault und François mit Flüchen und Kochgeschirr bombardiert, und er mußte schmählich in die Nacht hinausfliehen. Ein eisiger Wind blies durch und durch und biß schneidend in seine Wunde an der Schulter. Er legte sich im Schnee nieder und versuchte zu schlafen, aber die Kälte trieb ihn bald wieder auf die Beine. Am ganzen Leib durchfroren, wanderte er elend und verlassen zwischen den Zelten umher, aber jeder Platz war genauso kalt wie der andere. Da und dort stürzten sich fremde Hunde auf ihn, doch wenn er seine Rückenhaare sträubte und sie anknurrte, ließen sie von ihm ab.

Schließlich kam er auf eine Idee: Er wollte zurückgehen und sehen, wie sich seine Schlittengefährten mit der Kälte abgefunden hatten. Aber er fand sie nirgends. Er durchwanderte wieder das ganze Lager, aber er entdeckte nicht die kleinste Spur von ihnen. Waren sie im Zelt? Nein, dort waren sie nicht, denn sonst hätte man ihn nicht hinausgeworfen. Wo aber konnten sie nur sein? Mit hängender Rute und frostdurchschauertem Körper, sehr verloren und verlassen, umkreiste er ziellos das Zelt. Plötzlich gab der Schnee unter seinen Vorderbeinen nach, und er sank ein. Seine Haare sträubten sich, und er sprang knurrend zurück. Zutiefst erschrocken vor dem verborgenen Unbekannten machte er sich zum Angriff bereit. Ein kurzes, freundliches Kläffen beruhigte ihn aber, und er trat neugierig näher. Ein warmer Hauch stieg in seine Nase, und das schwarze Knäuel unter ihm entpuppte sich als Billie, der sich behaglich in den Schnee eingebuddelt hatte. Nun winselte er besänftigend, wedelte mit dem Schwanz und wagte es sogar, Bucks Schnauze mit seiner warmen, feuchten Zunge zu belecken.

Buck hatte wieder etwas Neues gelernt. So also wurde es gemacht! Er wählte sich nun ebenfalls ein Plätzchen aus, und mit viel Kraftvergeudung ging er umständlich daran, sich ein Loch zu graben. Dann legte er sich hinein, rollte sich wie ein Igel zusammen, und als seine Körperwärme den Raum ausgefüllt hatte, schlief er ein. Der Tag war anstrengend gewesen, und er schlief tief und fest und warm, aber Träume quälten ihn, und er knurrte und stöhnte.

Es war heller Morgen, als ihn der Lärm im Lager weckte. In der Nacht hatte es geschneit, und eine hohe Schicht Schnee bedeckte ihn. Er wußte nicht, wo er war. Er war in seinem Loch von weißen Wänden eingeschlossen, und eine panische Angst ergriff ihn, die Angst jedes wilden Tieres vor einer Falle.

Zum erstenmal wurden die uralten Instinkte seiner Ahnen in ihm wach, denn er war ein zivilisierter Hund, ein überzivilisierter sogar, der aus eigener Erfahrung keine Falle kannte und daher auch keine Angst vor ihr haben konnte. Aber unwillkürlich zogen sich die Muskeln seines ganzen Körpers krampfhaft zusammen, seine Nackenhaare sträubten sich, und mit einem grimmigen Jaulen stieß er geradewegs in den blendenden Tag hinauf. Der Schnee stob wie eine glitzernde Wolke empor. Ehe er noch auf den Füßen landete, sah er das weiße Lager vor sich ausgebreitet und wußte, wo er war. Und alles war plötzlich wieder lebendig vor ihm, was von jenem Augenblick an geschehen war, als ihn Manuel fortgeführt hatte, bis zu dem Schneeloch, in das er sich gestern abend gewühlt hatte.

Ein Ausruf von François empfing ihn. »Was sagen ick?« rief er Perrault zu. »Der Buck ganz gewißlik lernen schneller wie andere.«

Perrault nickte ernst. Als Kurier der kanadischen Regierung war er oft mit wichtigen Nachrichten betraut und mußte darauf sehen, die besten Hunde zu seiner Verfügung zu haben. Und von allen seinen Erwerbungen freute er sich über Buck am meisten.

Bevor eine Stunde vergangen war, kamen noch drei Eskimohunde zum Gespann, und sie waren nun neun, und nach einer weiteren halben Stunde waren sie schon angeschirrt, und fort ging es auf der Spur nach dem Dyea Canon zu. Buck war froh, als sie das Lager verließen, und obwohl er bald entdeckte, daß die Arbeit eines Schlittenhundes hart war, lehnte er sich nicht dagegen auf. Der Eifer, der das ganze Gespann beseelte, überraschte ihn, Dave und Solleks waren so verändert, daß er sie kaum wiedererkannte. Aus schläfrigen, gleichgültigen Hunden hatten sie sich in lebendige, frische und ausdauernde Tiere verwandelt. Alles, was die Fahrt hinderte, erbitterte sie, und nichts ärgerte sie mehr als ein unnützer Aufenthalt. Die Arbeit im Geschirr schien der höchste Ausdruck ihres Daseins zu sein, dafür lebten sie und nichts anderes erstrebten sie. Dave war »Wheeler« oder Zughund, vor ihm lief Buck, dann folgten Solleks und der Rest des Gespannes. Als erster lief Spitz, der Leithund.

Buck war mit Absicht zwischen Dave und Solleks eingespannt worden, damit er lernen konnte. Er war ein fähiger und gelehriger Schüler, sie aber ebenso gute Lehrmeister, die ihn auf jeden Fehler aufmerksam machten und ihren Lehren mit scharfen Zähnen Nachdruck verliehen. Dave war ein feiner Kerl und sehr klug. Er kniff Buck nie ohne Grund, und da ihn François’ Peitsche unterstützte, lehnte sich Buck nicht dagegen auf. Einmal, während eines kurzen Haltens, verwickelte er sich in die Stränge, sofort warfen sich Dave und Solleks auf ihn und versetzten ihm einen Denkzettel, daß ihm Hören und Sehen verging. Buck war nun vorsichtig und hielt die Stränge in Ordnung, und bevor der Tag um war, meisterte er seine Aufgabe bereits so gut, daß seine Gefährten nicht mehr nach ihm schnappen mußten. Die Peitsche hinter ihm klatschte weniger oft, und Perrault klopfte ihm sogar freundlich auf den Rücken, als er abends die Pfoten der Hunde untersuchte.

Es war ein schwerer Tagesmarsch. Sie fuhren über die Baumgrenze hinaus über Gletscher und hundert Fuß hohe Schneewächten. Sie überquerten die große Wasserscheide am Chilcoot, die das Salzwasser vom Süßwasser trennt, sie kamen zu einer Seenkette, die die Krater erloschener Vulkane ausfüllt, und spät am Abend erreichten sie das riesige Lager am Bennet-See, wo Tausende von Goldwäschern auf das Aufbrechen des Eises im Frühling warteten. Wieder machte sich Buck ein Loch in den Schnee und schlief den Schlaf des Gerechten, wurde aber nur allzu früh hinaus in das kalte Dunkel gejagt und mit seinen Gefährten wieder an den Schlitten gespannt.

An diesem Tag legten sie vierzig Meilen zurück, da sie eine ausgefahrene Spur benützen konnten. Am nächsten Tag und an vielen folgenden mußten sie sich ihren Weg selbst bahnen, mühten sich ab und kamen nur langsam vorwärts. Perrault stapfte voran und trat den Schnee mit seinen Schneereifen zusammen, um es dem Gespann leichter zu machen. François lenkte den Schlitten. Manchmal – nicht sehr oft – wechselten sie ab. Perrault hatte es eilig und rühmte sich, die Schneeverhältnisse genau zu kennen, ein Wissen, das unerläßlich war, denn die unter dem Schnee liegende Eisschicht war oft sehr dünn, und an manchen Stellen, meistens über schnellfließenden Gewässern, bildete sich überhaupt keine.

Tag für Tag – endlose Tage – marterte sich Buck in den Strängen. Jeder Tag brachte dasselbe Einerlei. Sie brachen das Lager ab, wenn es noch dunkel war, und beim ersten Morgengrauen hatten sie schon wieder viele Meilen zurückgelegt. Sie schlugen das Lager auf, wenn es dunkel geworden war, die Hunde fraßen ihre kärgliche Fischration und verkrochen sich im Schnee, um zu schlafen. Buck war stets ausgehungert und unersättlich. Seine Tagesration, ein und ein halbes Pfund von gedörrtem Lachs, verschwand wie nichts und genügte nie. Die anderen Hunde erhielten, weil sie nicht so groß und dieses Leben gewöhnt waren, nur ein Pfund und brachten es trotzdem fertig, in guter Verfassung zu bleiben.

Es dauerte nicht lange, und Buck verlor seine Vornehmheit, die sein ganzes früheres Leben charakterisiert hatte. Früher hatte er langsam und bedächtig gefressen, jetzt mußte er seine Fischration so schnell wie möglich hinunterwürgen, sonst schnappten ihm die anderen den Rest weg. Es war vergeudete Kraft, sich dagegen zu wehren. Während er zwei oder drei verjagte, verschwand sein Fisch in den Rachen der anderen. Er mußte seine Nahrung ebenso schnell verschlingen wie sie. Bei Tieren ist der Hunger die stärkste Triebkraft, er setzte sich über alle Sitten hinweg. Buck schaute zu und lernte. Als er Pike, einen der neuen Hunde, einen schlauen Simulanten und Dieb, heimlich eine Scheibe Speck stehlen sah, während ihm Perrault den Rücken zukehrte, folgte er am nächsten Tag diesem Beispiel und suchte mit einer ganzen Speckseite das Weite. Es entstand ein großer Aufruhr, aber niemand verdächtigte ihn. Dub, ein dummer Tölpel, der sich immer erwischen ließ, wurde für Bucks Missetat bestraft.

Dieser erste Diebstahl zeigte, daß Buck fähig war, in der feindlichen Umwelt des Nordlandes weiterzuleben. Ohne diese Anpassungsfähigkeit hätte er bald einen schnellen und schrecklichen Tod gefunden. Er hatte gelernt, daß hier Moral nur ein Hindernis im unbarmherzigen Existenzkampf war. Im Südland, wo Sitte und Anstand herrschten, war es gut und recht, Privateigentum und persönliche Gefühle zu achten, aber wer im Nordland, unter dem Gesetz des Knüppels und der Fangzähne, solche Dinge in Betracht zog, war ein Narr und mußte zugrunde gehen.

Buck konnte das nicht bewußt empfinden, aber er fühlte es instinktiv. Früher hätte er sein Leben für eine gute Sache hingegeben, er hätte sich bedenkenlos eingesetzt für das geringste Eigentum seines Herrn, aber hier wäre ein solches Handeln nicht angebracht gewesen. Der Stock des roten Mannes hatte ihm ein stärkeres und primitiveres Gesetz eingebleut. Er stahl nicht aus Freude am Stehlen, sondern weil sein leerer Magen es verlangte. Er raubte nicht offen, er stahl heimlich und verschlagen, aus Furcht vor dem Stock. Was er tat, geschah, weil er es tun mußte.

Seine Entwicklung, oder vielmehr Rückentwicklung, vollzog sich unheimlich schnell. Seine Muskeln wurden hart wie Stahl, und er wurde unempfindlich gegen jeden gewöhnlichen Schmerz. Das oberste Gebot wurde Sparsamkeit, alles mußte bis aufs äußerste ausgenützt werden. Er konnte alles fressen, und wenn es noch so ekelhaft und unverdaulich war, und war es einmal gefressen, so sogen die Magensäfte auch das letzte, geringste Partikelchen Nährwert daraus, und sein Blut trug es zu allen Teilen seines Körpers und baute damit die zähesten und festesten Gewebe auf. Sicht und Geruch schärften sich, und sein Gehör wurde so fein, daß er im Schlaf den schwächsten Laut vernahm und wußte, ob er Friede oder Gefahr verkündete. Er lernte das Eis, wenn es sich zwischen den Zehen festsetzte, herauszubeißen; und wenn er durstig war und eine dicke Eisschicht das Wasserloch bedeckte, sprang er mit steifen Vorderbeinen darauf und zerschlug es. Seine außergewöhnlichste Fähigkeit aber war es, den Wind zu wittern und für eine Nacht vorauszusagen. Wie ruhig die Luft auch sein mochte, wenn er sich sein Lager unter Bäumen und neben Flußbänken grub, der Sturm, der sich unweigerlich später erhob, fand ihn beharrlich in einem windgeschützten Nest.

Und er lernte nicht nur durch Erfahrung, längst abgestumpfte Instinkte wurden wieder lebendig. Generationen gezähmter, friedlicher Haustiere fielen von ihm ab, und uralte Kenntnisse kamen ganz von selbst, ohne sein Zutun, zum Vorschein, verschwommene Erinnerungen an die Urzeit seiner Rasse, da wilde Hunde in Rudeln den Wald durchstreift und ihre Beute getötet hatten. Reißen, Aufschlitzen und schnelles Zuschnappen – die Kampfart eines Wolfes – lernte er ganz von selbst. So hatten seine längst vergessenen Vorfahren gekämpft. Und wenn er in den stillen, kalten Nächten wie ein Wolf einen Stern anheulte, so war es nicht seine eigene Stimme, sondern die seiner Ahnen. Buck fand zu sich selbst zurück, und er fand sich, weil die Menschen im Norden ein gelbes Metall entdeckt hatten und weil Manuel nur ein Hilfsgärtner war, der spielte und dessen Lohn dafür nicht ausreichte.

 

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