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Рассказ «Союз Рыжих» (Die Liga der rothaarigen Männer) на немецком языке

Рассказ «Союз Рыжих» (Die Liga der rothaarigen Männer) на немецком языке – читать онлайн, автор книги – Артур Конан Дойль. Этот рассказ идёт вторым в сборнике Артура Конан Дойля «Приключения Шерлока Холмса» (эти рассказы были очень популярными не только в Великобритании, и позже были переведены на многие самые распространённые языки мира, в том числе и на немецкий).

Остальные произведения, которые написал Артур Конан Дойль и другие известные писатели, можно читать онлайн в разделе «Книги на немецком» (для детей есть раздел, который называется «Сказки на немецком»).

Для самостоятельно изучающих немецкий язык по фильмам создан раздел «Фильмы на немецком», а для детей – «Мультфильмы на немецком».

Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с опытным преподавателем, есть нужная информация на странице «Немецкий по скайпу».

 

Теперь возвращаемся к чтению рассказа «Союз Рыжих» (Die Liga der rothaarigen Männer) на немецком языке, автор – Артур Конан Дойль.

 

Die Liga der rothaarigen Männer

 

Im Herbst des letzten Jahres schaute ich eines Tages bei meinem Freund Sherlock Holmes herein und traf ihn, wie er sich lebhaft mit einem ziemlich beleibten älteren "Herrn. mit blühender Gesichtsfarbe und brandrotem Haar unterhielt. Ich wollte mich mit einer Entschuldigung entfernen, aber Holmes zog mich ins Zimmer und schloß die Tür hinter mir.

"Sie hätten zu keiner besseren Zeit kommen können, mein lieber Watson", sagte er herzlich.

"Ich befürchtete, Sie hätten zu tun."

"Das habe ich. Sehr viel sogar."

"Ich kann ja im Nebenzimmer warten."

"Keinesfalls. Dieser Gentleman, Mr. Wilson, ist mein Partner und war mein Helfer in vielen der Fälle, die ich erfolgreich zum Abschluß gebracht habe, und ich zweifle nicht, daß er mir auch in Ihrer Angelegenheit außerordentlich nützlich sein wird." Der stämmige Herr erhob sich halb aus dem Sessel, senkte grüßend den Kopf und warf mir einen schnellen fragenden Blick aus seinen kleinen, im Fett fast versunkenen Augen zu.

"Setzen Sie sich aufs Sofa", sagte Holmes, ließ sich wieder in seinen Lehnstuhl zurücksinken und legte, wie es seine Gewohnheit in kritischen Augenblicken war, die Fingerspitzen gegeneinander.

"Ich weiß, mein lieber Watson, daß Sie mit mir die Vorliebe für alles Bizarre und außerhalb der Konvention und täglichen Routine Liegende teilen. Sie haben Ihren Gefallen daran in der Begeisterung gezeigt, mit der Sie sich veranlaßt fühlten, so viele meiner kleinen Abenteuer aufzuzeichnen und sie, wenn ich so sagen darf, auch noch auszuschmücken."

"Ihre Fälle haben mich immer stark interessiert", stellte ich fest. "Sie werden sich erinnern: Gestern, als wir in das sehr simple Problem einstiegen, welches Miss Mary Sutherland uns aufgab, sprach ich davon, daß wir wegen ausgefallener Wirkungen und außergewöhnlicher Zusammenhänge ins Leben selber gehen müssen, das stets kühner, ist als alle Anstrengung der Phantasie." "Eine Behauptung, die ich so frei war zu bezweifeln."

"Das taten Sie, Doktor, aber dennoch müssen Sie sich zu meiner Ansicht bekehren, sonst werde ich Tatsache um Tatsache auf Sie häufen, bis Ihre Meinung darunter zusammenbricht und Ihnen nichts übrigbleibt, als mir recht zu geben. Nun aber zu Mr. Jabez Wilson, der mich heute früh aufgesucht und begonnen hat, mir eine Geschichte zu erzählen, die so eigenartig zu werden verspricht wie seit langem nichts mehr. Ich habe mitunter bereits angemerkt, daß die befremdlichsten, wirklich einmaligen Dinge oft nicht mit den größeren, sondern mit den kleineren Verbrechen zusammenhängen, bei denen manchmal sogar Platz für Zweifel bleibt, ob überhaupt ein Verbrechen begangen wurde. Bis jetzt ist es mir unmöglich, zu entscheiden, ob diese Sache ein Fall von Verbrechen ist oder nicht, aber die Ereignisse sind mit Sicherheit die sonderbarsten, die mir je zu Ohren gekommen sind. Vielleicht, Mr. Wilson, haben Sie die Freundlichkeit, Ihre Geschichte noch einmal zu beginnen. Ich bitte Sie darum nicht nur, weil mein Freund Dr. Watson den Anfang nicht gehört hat, sondern auch, weil die Eigenart der Geschichte mich begierig macht, jede mögliche Einzelheit aus Ihrem Munde zu erfahren. In der Regel kann ich mich, wenn ich den Lauf der Ereignisse in Andeutungen kenne, leicht orientieren, da mir Tausende ähnliche Begebenheiten einfallen. Jetzt jedoch muß ich zugeben, daß die Fakten nach meiner Überzeugung einmalig sind." Der stattliche Klient drückte geschmeichelt die Brust heraus und zog eine schmutzige, zerknitterte Zeitung aus der Innentasche seines Mantels. Als er mit vorgerecktem Kopf auf den Ins eratenteil der über die Knie gebreiteten Zeitung niederblickte, sah ich mir den Mann genau an und bemühte mich nach Art meines Freundes die Besonderheiten zu erkennen, die sein Äußeres anbot. Die Musterung brachte mir, nicht viel ein. Unser Besucher sah wie ein durchschnittlicher englischer Handelsmann aus: feist, wichtigtuerisch, bedächtig. Er trug ziemlich ausgebeulte, graukarierte Hosen, einen nicht sehr sauberen schwarzen Gehrock, der nicht zugeknöpft war, und eine mausgraue Weste mit einer schweren Prinz-Albert-Kette aus Messing, an der als Schmuck ein viereckiges Metallstück hing. Ein abgegriffener Zylinder und ein verschossener brauner Mantel mit zerknittertem Samtkragen lagen neben ihm auf dem Stuhl. Alles in allem gab es nichts Bemerkenswertes an dem Mann, außer seinem brandroten Schopf und der Miene äußersten Verdrusses und Mißbehagens. Sherlock Holmes erkannte mit schnellem Auge mein Unterfangen und lächelnd schüttelte er den Kopf, als er meine fragenden Blicke auffing.

"Außer den offensichtlichen Tatsachen, daß er einige Zeit manuell gearbeitet hat, daß er schnupft, Freimaurer ist, sich in China aufgehalten hat und kürzlich ziemlich viel geschrieben haben muß, kann ich nichts ableiten."

Mr. Jabez Wilson fuhr aus dem Sessel, der Zeigefinger blieb auf der Zeitung, aber die Augen blickten nun auf meinen Gefährten. "Wie, in Gottes Namen, können Sie das alles wissen, Mr. Holmes?" fragte er.

"Woher wissen Sie zum Beispiel, daß ich manuell gearbeitet habe? Das ist so wahr wie's Evangelium. Ich habe als Schiffszimmermann angefangen."

"Ihre Hände verraten das, mein lieber Herr. Ihre Rechte ist etwas größer als die Linke. Sie haben damit gearbeitet, so sind die Muskeln stärker entwickelt."

"Gut. Aber was ist mit dem Tabakschnupfen und der Freimaurerei?"

"Ich möchte Ihre Intelligenz nicht beleidigen, indem ich Ihnen das erkläre. Zumal Sie entgegen den strengen Gesetzen Ihres Bundes die Nadel mit Bogen und Windrose offen tragen."

"Natürlich, das hab ich vergessen. Aber was ist mit dem Schreiben?"

"Was kann man schon schließen, wenn der rechte Ärmel fünf Zoll hoch glänzt und der linke einen abgeriebenen Fleck nahe am Ellbogen hat, an der Stelle, wo Sie den Arm auf das Pult aufstützen."

"Also gut, aber China?"

"Die Tätowierung, der Fisch über Ihrem linken Handgelenk, kann nur in China angefertigt worden sein. Ich habe mich ein wenig mit Tätowierungen beschäftigt und sogar zur Literatur des Gegenstandes beigetragen. Die Art, wie die Schuppen des Fisches mit einem Anflug von Rosa eingefärbt sind, ist ganz bezeichnend für China. Und wenn ich überdies die viereckige chinesische Münze an Ihrer Uhrkette sehe, wird die Sache noch einfacher."

Mr. Jabez Wilson lachte schwerfällig.

"Bloß, da war ich nie", sagte er. "Erst dachte ich, Sie sind ein ganz Schlauer, aber jetzt sehe ich, daß gar nichts dahintersteckt." "Ich fange an zu glauben, Watson", sagte Holmes, "daß ich mit meiner Erklärung einen Fehler gemacht habe. ›Omne ignotum pro magnifico‹. Sie verstehen und mein bißchen Ansehen geht zu Bruch, wenn ich so offen bin. - Finden Sie die Anzeige nicht, Mr. Wilson?"

"Doch, jetzt habe ich sie." Der Mann pflanzte einen dicken roten Finger mitten in die Kolumne. "Hier ist es, womit alles angefangen hat. Lesen Sie selbst, Sir."

Ich nahm die Zeitung und las das folgende: "An die Liga der rothaarigen Männer: Dem Vermächtnis des verstorbenen Ezekiah Hopkins aus Lebanon, Penn.; USA, entsprechend, ist jetzt wieder eine Stelle für ein Mitglied in der Liga frei; das Gehalt beträgt vier Pfund pro Woche bei nur leichtem Dienst. Alle rothaarigen Männer, die an Leib und Seele gesund und über einundzwanzig Jahre alt sind, können sich bewerben. Erscheinen Sie persönlich am Montag um elf Uhr bei Duncan Ross im Büro der Liga, Pope's Court 7, Fleet Street."

"Was um alles in der Welt bedeutet das?" stieß ich nach zweimaligem Lesen der ungewöhnlichen Anzeige hervor. Holmes kicherte und ringelte sich wie ein Wurm in seinem Sessel, wie immer, wenn er guter Laune war. "Nicht wahr, das geht ein bißchen vom ausgetretenen Weg ab?" sagte er. "Und nun, Mr. Wilson, fangen Sie an und erzählen Sie uns von sich, Ihren Lebensumständen und dem Einfluß, den die Annonce auf Ihr Schicksal genommen hat. Sie, Doktor, sagen erst einmal, was das für eine Zeitung ist, und an welchem Tag sie erschienen ist."

"Es ist der ›Morning Chronicle‹ vom 27. April 1890. Gerade zwei Monate alt."

"Sehr gut. Und nun Sie, Mr. Wilson."

"Na, es ist genauso, wie ich es Ihnen erzählte, Mr. Sherlock Holmes", sagte Jabez Wilson und wischte sich die Stirn. "Ich habe eine kleine Pfandleihe am Coburg Square nahe der City. Es ist keine besonders große Angelegenheit, und in den letzten Jahren hat sie gerade soviel abgeworfen, wie ich zum Leben brauche. Früher konnte ich mir zwei Gehilfen halten, jetzt habe ich nur noch einen. Eigentlich müßte ich ihm vollen Lohn zahlen, aber er macht es für das halbe Geld, weil er den Beruf erlernen will."

"Wie heißt der zuvorkommende junge Mann?" fragte Sherlock Holmes. "Sein Name ist Vincent Spaulding, und er ist gar nicht mehr so jung. Es fällt schwer, sein Alter zu bestimmen. Ich kann mir keinen anstelligeren Gehilfen denken, Mr. Holmes, und ich weiß sehr gut, daß er die Möglichkeit hätte, sich zu verbessern und das Doppelte zu verdienen. Aber schließlich ist er zufrieden und warum soll ich ihm dumme Ideen in den Kopf setzen?"

"Ja, warum? Sie scheinen Glück zu haben, daß Sie einen Angestellten besitzen, der weit unter dem üblichen Lohn für Sie arbeitet. Das ist in dieser Zeit nicht der Regelfall. Ich weiß nicht, ob Ihr Gehilfe nicht ebenso bemerkenswert ist wie Ihre Annonce."

"Oh, er hat auch seine Fehler", sagte Mr. Wilson. "Er ist versessen aufs Fotografieren. Andauernd ist er mit der Kamera zugange, anstatt sein Gehirn zu trainieren, und dann verkriecht er sich in den Keller wie ein Kaninchen in seinen Bau, um die Bilder zu entwickeln. Das ist sein Hauptfehler, aber aufs Ganze gesehen, arbeitet er gut. Er hat keine Laster."

"Ich nehme an, er arbeitet noch bei Ihnen?"

"Ja, Sir. Er und ein Mädchen von vierzehn, das ein bißchen kocht und alles sauber hält. Sonst wohnt niemand bei mir im Haus, denn ich bin Witwer und hatte nie Kinder. Wir drei leben sehr ruhig, Sir, wir sehen zu, daß wir ein Dach überm Kopf haben, und bezahlen unsere Schulden. Das erste, was unsere Ordnung durcheinanderbrachte, war diese Annonce. Spaulding kam vor genau acht Wochen mit ebendieser Zeitung hier in der Hand ins Büro und sagte: ›Ich wäre Gott dankbar, Mr. Wilson, wenn ich rote Haare hätte ‹

"Wieso das?" fragte ich.

"Na", sagte er, "hier ist schon wieder eine freie Stelle bei der Liga der rothaarigen Männer. Wenn man die kriegt, bedeutet das ein kleines Vermögen, und wie ich es sehe, gibt's mehr freie Stellen als Bewerber, so daß die Treuhänder mit ihrem Latein am Ende sind und nicht wissen, was sie mit dem Geld tun sollen. Wenn nur mein Haar die Farbe wechseln könnte: Hier wäre ein gemachtes Bett, da würde ich mich reinlegen".

"Worum geht es denn überhaupt?" fragte ich. Sie müssen wissen, Mr. Holmes, ich bin ein häuslicher Mann und da das Geschäft zu mir kommt und ich ihm nicht nachlaufen muß, setze ich oft wochenlang keinen Fuß über die Schwelle. So wußte ich nicht viel von dem, was draußen vor sich ging, und war immer froh über ein paar Neuigkeiten.

"Haben Sie nie von der Liga der rothaarigen Männer gehört?" fragte er mit aufgerissenen Augen.

"Das wundert mich aber, wo Sie doch selber für eine dieser Stellen in Frage kommen".

"Und was bringen sie ein? " fragte ich.

"Oh, nur ein paar hundert im Jahr, aber die Arbeit ist leicht und würde einen im Beruf nicht weiter stören".

Nun, Sie können sich wohl vorstellen, daß ich daraufhin die Ohren spitzte, denn das Geschäft war einige Jahre lang nicht gut gegangen, und ein paar hundert extra im Jahr wären mir sehr zu paß gekommen.

"Erzählen Sie mir alles", sagte ich.

"Hier" sagte er und zeigte mir die Annonce › Sie sehen selbst, daß die Liga eine Stelle ausschreibt, und da steht die Adresse, wo Sie sich nach den Einzelheiten erkundigen können. Soviel ich weiß, wurde die Liga von einem amerikanischen Millionär, Ezekiah Hopkins, gegründet, einem Sonderling. Er hatte selber rote Haare und viel Sympathie für alle rothaarigen Männer; als er starb, stellte sich heraus, daß er sein riesiges Vermögen Treuhändern hinterlassen hatte mit der Verfügung, die Zinsen zur Einrichtung von Posten mit leichter Arbeit für rothaarige Männer zu verwenden. Nach allem, was ich gehört habe, wird hervorragend bezahlt, und man muß nur sehr wenig tun".

"Aber", sagte ich, "gibt es nicht Millionen von Rothaarigen, die sich bewerben würden?"

"Nicht so viele, wie Sie annehmen", antwortete er.

"Wissen Sie, das beschränkt sich auf Londoner und auf erwachsene Männer. Dieser Amerikaner hat in London angefangen und er wollte der alten Stadt einen guten Dienst erweisen. Und dann, habe ich gehört, soll es zwecklos sein, sich zu bewerben, wenn man hellrotes oder dunkelrotes oder solches Haar hat, das nicht wirklich leuchtend, flammend, feuerrot ist. Wenn Sie sich melden würden, Sie hätten sofort Glück; aber vielleicht finden Sie es nicht lohnend, mal etwas anderes zu versuchen wegen ein paar hundert Pfund ‹ Nun, Gentlemen, Tatsache ist - und Sie sehen es selber - mein Haar besitzt eine sehr kräftige, satte Tönung, und da schien mir, daß ich, wenn es zu einer Bewerbung kommen sollte, so gut eine Chance hätte wie irgendein anderer. Vincent Spaulding schien so viel von der Sache zu wissen, daß ich glaubte, er könne mir nützen; so befahl ich ihm, die Läden zuzumachen und sofort mit mir loszugehen. Er war sehr froh über den freien Tag; wir schlossen also das Geschäft und machten uns auf den Weg nach der Adresse, die wir in der Annonce gelesen hatten. Ich hoffe, ich werde so was nie wieder sehen, Mr. Holmes. Von Norden, Süden, Osten und Westen war jeder Mann, dessen Haar auch nur ein bißchen Rot aufwies, wegen der Annonce in die City gekommen. Die Fleet Street war gestopft voll mit rothaarigen Leuten, und Pope's Court sah aus, wie die Schubkarre eines Apfelsinenhändlers. Ich hätte nie gedacht, daß es so viele Rothaarige im Land gibt, wie hier durch die Aufforderung zusammengelaufen waren. Es gab jede Schattierung: Stroh, Zitrone, Apfelsine, Backstein, Irish Setter, Leber, Lehm, aber - wie Spaulding schon gesagt hatte - nicht viele besaßen wirklich feuerrotes Haar. Als ich sah, was da alles wartete, wollte ich schon aufgeben. Doch Spaulding mochte davon nichts hören. Wie er es geschafft hat, kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls schob und zog und stieß er mich durch die Menge geradewegs vor die Stufen, die zum Büro führten. Über die Treppe bewegte sich ein doppelter Strom; die einen gingen hoffnungsvoll hinauf, und die anderen kamen niedergeschlagen herunter. Wir drängelten uns durch, so gut wir konnten, und bald darauf befanden wir uns in dem Büro.

"Die Erfahrung muß für Sie höchst unterhaltsam gewesen sein", bemerkte Sherlock Holmes, da sein Klient eine Pause einlegte und sein Gedächtnis mit einer riesigen Ladung Schnupftabak auffrischte. "Bitte, fahren Sie in Ihrem interessanten Bericht fort."

"In diesem Büro stand nichts als ein paar Holzstühle und ein Tisch aus Fichte; dahinter saß ein kleiner Mann, dessen Schopf sogar roter war als meiner. Mit jedem Kandidaten sprach er ein paar Worte und jedesmal fand er an ihm einen Makel, der ihn disqualifizierte. Die freie Stelle zu erhalten, schien danach doch keine, so leichte Sache zu sein. Dann kamen wir an die Reihe und mir gegenüber gab sich der kleine Mann freundlicher als zu allen anderen. Er schloß die Tür, um einige persönliche Worte mit uns zu wechseln.

"Das ist Mr. Jabez Wilson", sagte mein Gehilfe.

"Er möchte die Stellung in der Liga antreten"

"Er ist bewundernswert dafür geeignet", antwortete der andere.

"Er hat alles, was verlangt wird. Ich kann mich nicht erinnern, daß mir schon einmal jemand so Passender begegnet ist". Er trat einen Schritt zurück, legte den Kopf zur Seite und starrte mein Haar an, bis ich mir ziemlich blöde vorkam. Dann sprang er plötzlich vor, quetschte meine Hand und gratulierte mir herzlich zu meinem Erfolg.

"Es wäre ungerecht, hier zu zögern", sagte er.

"Dennoch werden Sie mir sicherlich verzeihen, wenn ich eine Vorsichtsmaßnahme ergreife".

Er packte mein Haar mit beiden Händen und riß daran, bis ich vor Schmerz schrie.

"Ihre Augen tränen", sagte er, als er mich losließ.

"Ich stelle fest, daß alles ist, wie es sein soll. Aber wir müssen uns vorsehen, denn zweimal sind wir schon mit Perücken und einmal mit Farbe hintergangen worden. Ich könnte Ihnen Geschichten von Schusterwachs erzählen, die Ihnen den Geschmack an der menschlichen Natur verderben würden". Er trat zum Fenster und schrie, so laut er konnte, daß die Stelle besetzt sei. Ein Seufzer der Enttäuschung stieg von unten auf und die Leute verliefen sich in alle Richtungen, bis kein Rotschopf mehr zu sehen war außer dem meinen und dem des Managers.

"Mein Name", sagte er, "ist Duncan Ross, und ich bin selber einer der Nutznießer des Fonds, den unser edler Wohltäter hinterlassen hat. Sind Sie verheiratet, Mr. Wilson? Haben Sie Familie?" Ich antwortete, daß ich unverheiratet sei und keine Familie habe. Sein Gesicht verzog sich sofort.

"Du lieber Gott", sagte er bedeutsam, "das ist in der Tat sehr ernst. Es bekümmert mich, Sie das sagen zu hören. Der Fonds ist natürlich zur Propagierung und Verbreitung der Rotköpfe so gut wie für ihren Unterhalt gedacht. Es fügt sich außerordentlich unglücklich, daß Sie Junggeselle sind". Mein Gesicht wurde lang, Mr. Holmes, denn ich glaubte, daß ich nun die Stelle nicht mehr bekommen würde. Aber nachdem er einige Minuten überlegt hatte, sagte er, es ginge schon in Ordnung.

"In einem anderen Fall", sagte er, "könnte der Einwand verhängnisvoll sein. Aber Ihnen müssen wir doch einiges zugute halten, einem Mann mit einem solchen Schopf! Wann können Sie die Stellung an treten?"

"Also, das ist ein bißchen schwierig, denn ich betreibe bereits ein Geschäft", sagte ich.

"Oh, das macht nichts", sagte Vincent Spaulding.

"Ich werde schon nach dem Rechten sehen".

"Und wie wäre die Dienstzeit?" fragte ich.

"Von zehn bis zwei".

Die Arbeit eines Pfandleihers konzentriert sich meist auf den Abend, Mr. Holmes, besonders auf den Dienstag- und Freitagabend, vor den Zahltagen, so paßte es mir sehr gut, in den Morgenstunden etwas hinzuzuverdienen. Außerdem wußte ich, mein Gehilfe ist ein guter Mann und würde alles Anfallende erledigen.

"Damit käme ich gut zurecht", sagte ich. "Und die Bezahlung?"

"Vier Pfund die Woche".

"Und die Arbeit?"

"Ist kaum als Arbeit zu bezeichnen"

"Was verstehen Sie unter, kaum als Arbeit zu bezeichnen?".

"Nun, Sie müssen im Büro sein oder wenigstens im Haus, die ganze Zeit über. Wenn Sie weggehen, verlieren Sie Ihre Position für immer. Das Testament ist in dem Punkt sehr klar. Sie verletzen die Bedingungen, wenn Sie sich während dieser Zeit, aus dem Büro entfernen".

"Es sind nur vier Stunden am Tage. Ich glaube nicht, daß ich ans Weggehen denken werde", sagte ich.

"Es gilt keine Entschuldigung", sagte Mr. Duncan Ross, "weder Krankheit, noch Geschäft, noch irgendetwas anderes. Hier müssen Sie bleiben, oder Sie verlieren den Anspruchs" - "Und die Arbeit?"

"Besteht darin, die Encyclopaedia Britannica abzuschreiben. Dort drüben in dem Schrank liegt der erste Band. Sie müssen sich Ihre eigene Tinte, Ihre eigenen Federn und das Papier besorgen. Wir stellen den Tisch und den Stuhl zur Verfügung. Werden Sie morgen antreten können?"

"Gewiß", antwortete ich.

"Dann auf Wiedersehen, Mr. Jabez Wilson, und lassen Sie mich Ihnen noch einmal zu dieser bedeutsamen Stellung gratulieren, die Sie errungen haben".

Er komplimentierte mich aus dem Zimmer, und ich ging mit meinem Gehilfen nach Hause und wußte nicht, was ich sagen oder tun sollte, so zufrieden war ich in meinem Glück. Nun, den ganzen Tag lang dachte ich über die Sache nach, und gegen Abend war ich dann niedergeschlagen, denn da hatte ich mir fast eingeredet, daß die Angelegenheit ein großer Jux oder Betrug sein müsse, wenn ich mir auch nicht vorstellen konnte, zu welchem Ziel. Ich hielt es für unglaublich, daß jemand, so ein Testament gemacht haben sollte oder daß man eine solche Summe für etwas derart Leichtes wie Abschreiben der Encyclopaedia Britannica zahlen würde. Vincent Spaulding tat, was er konnte, um mich aufzuheitern, doch beim Schlafengehen hatte ich mir das Ganze aus dem Kopf geschlagen. Dennoch entschloß ich mich am Morgen, mir die Sache anzusehen. Ich kaufte mir eine Flasche Tinte für einen Penny, eine Kielfeder und sieben Blatt Pro-Patria-Papier und machte mich auf den Weg nach Pope's Court. Zu meiner Überraschung und Freude hatte alles seine Richtigkeit. Der Tisch stand für mich bereit, und Mr. Duncan Ross war anwesend, um zu sehen, daß ich die Arbeit ordentlich aufnahm. Er ließ mich mit dem Buchstaben A beginnen und ging dann weg; aber von Zeit zu Zeit kam er wieder und schaute, ob mit mir alles stimmte. Um zwei Uhr wünschte er mir einen guten Tag, lobte mich wegen der Menge, die ich geschrieben hatte, und verschloß die Tür hinter mir. Das ging Tag um Tag so, Mr. Holmes, und am Samstag kam der Manager und zählte vier goldene Sovereigns für die Arbeit einer Woche auf den Tisch. So lief es in der nächsten Woche, so auch in der Woche darauf. Jeden Morgen war ich um zehn da, und jeden Nachmittag um zwei Uhr ging ich weg. Allmählich gewöhnte Mr. Duncan Ross es sich an, nur einmal am Morgen hereinzuschauen, und dann nach einiger Zeit kam er überhaupt nicht mehr. Dennoch wagte ich natürlich nicht, den Raum für einen Augenblick zu verlassen, denn ich wußte nicht sicher, ob und wann er kommen würde, und die Stellung lag mir auch so sehr, daß ich nicht riskieren wollte, sie zu verlieren. Auf diese Weise vergingen acht Wochen, und ich hatte über Abbots, Archery, Armour, Architecture bis Attica alle Artikel abgeschrieben und hoffte, mit Fleiß bald zum Buchstaben B zu kommen. Die Sache kostete mich einiges an Papier, und ich hatte fast ein Regal mit meinem Geschriebenen gefüllt. Und dann fand die Geschichte plötzlich ein Ende."

"Ein Ende?"

"Ja, Sir. Und zwar heute morgen. Ich ging wie gewöhnlich um zehn Uhr zur Arbeit, aber die Tür war zu und verschlossen, und an der Türfüllung hing an einem Nägelchen ein Stück Karton. Hier ist es, Sie können es ja selber lesen." Er hielt ein Stück weißen Karton hoch, etwa von der Größe eines Notizblocks. Darauf stand: Die Liga der rothaarigen Männer ist aufgelöst. 9. Okt. 1890. Sherlock Holmes und ich betrachteten die kurze Bekanntmachung und dahinter das jämmerliche Gesicht, bis das Komische der Geschichte völlig jede andere Erwägung überrollte und wir beide in brüllendes Gelächter ausbrachen. "Ich weiß nicht, was daran lustig sein soll", rief unser Klient, rot bis an die Wurzeln seines flammenden Schopfes.

"Wenn Sie nichts Besseres wissen, als über mich zu lachen, kann ich auch woanders hingehen,"

"Nein, nein", rief Holmes und drückte ihn in den Sessel zurück, von dem er sich halb erhoben hatte. "Um nichts in der Welt möchte ich Ihren Fäll missen. Er ist so erfrischend unüblich. Aber er hat, wenn ich mal so sagen darf, doch auch etwas Erheiterndes. Bitte, was haben Sie unternommen, als Sie die Mitteilung an der Tür entdeckten?"

"Ich war verdutzt, Sir. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Dann erkundigte ich mich bei den Büros rundum, aber nirgends schien man etwas zu wissen. Schließlich ging ich zum Hausbesitzer, einem Bücherrevisor, der im Parterre wohnt und fragte ihn, ob er mir sagen könne, was aus der Liga geworden sei. Er entgegnete, er habe nie von einem solchen Verein gehört. Da fragte ich ihn, wer Mr. Duncan Ross sei. Er antwortete, daß er den Namen zum erstenmal höre.

"Nun", sagte ich, "das ist der Gentleman von Nummer vier".

"Der Rothaarige?"

"Ja"

"Oh", sagte er, "der heißt William Morris. Er ist Anwalt und hat das Zimmer als zeitweilige Unterkunft benutzt, bis seine Praxisräume eingerichtet waren. Gestern ist er ausgezogen".

"Wo kann ich ihn finden?"

"Natürlich in seinem neuen Büro. Er hat mir die Adresse gegeben. King Edward Street 17, in der Nähe von St. Paul".

"Ich ging los, Mr. Holmes, aber unter der Adresse fand ich eine Werkstatt für künstliche Kniescheiben, und niemand hatte je von Mr. William Morris oder Mr. Duncan Ross gehört."

"Und was taten Sie dann?" fragte Holmes.

"Ich ging nach Hause zum Saxe Coburg Square und fragte meinen Gehilfen um Rat. Aber der konnte mir überhaupt nicht helfen. Er sagte nur, ich solle warten, ich würde durch die Post etwas hören. Aber das war mir zu wenig, Mr. Holmes. Ich mag eine solche Stelle nicht kampflos aufgeben, und so bin ich, als ich erfuhr, Sie sollen so freundlich sein, armen Leuten, die Rat brauchen, Rat zu geben, geradewegs zu Ihnen gekommen."

"Das war sehr klug", sagte Holmes. "Ihr Fall ist äußerst bemerkenswert, ich werde mich glücklich schätzen, ihn zu erhellen. Nach dem, was Sie mir erzählt haben, denke ich, daß er möglicherweise mit Gewichtigerem zusammenhängt, als es auf den ersten Blick erscheint."

"Natürlich ist es etwas Gewichtiges", sagte Mr. Jabez Wilson. "Immerhin verliere ich vier Pfund die Woche."

"Soweit es Sie persönlich betrifft", bemerkte Holmes, "sehe ich nicht, daß Sie Grund zur Beschwerde gegen diese sonderbare Liga hätten. Sie sind, im Gegenteil, wenn ich richtig rechne, um mehr als dreißig Pfund reicher, ganz abgesehen von den genauen Kenntnissen, die Sie sich über alle Wörter mit dem Buchstaben A aneignen konnten. Sie haben durch die Liga nichts verloren."

"Stimmt schon, Sir. Aber ich möchte alles über die Leute herauskriegen, wer sie sind, weshalb sie mir den Streich gespielt haben - wenn es ein Streich war. Ein ganz schön teurer Scherz, denn es hat sie zweiunddreißig Pfund gekostet."

"Wir werden uns bemühen, all das aufzuklären. Aber zuvor, Mr. Wilson, habe ich noch ein paar Fragen. Der Gehilfe, der Ihre Aufmerksamkeit auf die Annonce gelenkt hat - wie lange war er bei Ihnen schon beschäftigt?"

"Damals ungefähr einen Monat."

"Wie ist er zu Ihnen gekommen?" "Er hat sich auf ein Inserat von mir gemeldet."

"War er der einzige Bewerber?" "Nein, es gab ein Dutzend."

"Aber warum wählten Sie ihn aus?"

"Er war anstellig und billig."

"Und er hat tatsächlich für den halben Lohn gearbeitet?"

"Ja." "Wie sieht er aus, dieser Vincent Spaulding?"

"Klein, gedrungen, in allem sehr schnell, kein Haar im Gesicht, obwohl er bald dreißig ist. Er hat von einer Säure einen weißen Fleck an der Stirn zurückbehalten." Holmes richtete sich ziemlich erregt im Stuhl auf. "Das dachte ich mir", sagte er. "Haben Sie gesehen, ob seine Ohren durchstochen sind für Ringe?"

"Ja, Sir, er erzählte mir, daß eine Zigeunerin das gemacht hat, als er ein junger Bursche war."

"Hm." Holmes versank in dumpfes Brüten. "Er ist noch bei Ihnen?"

"O ja, Sir, vorhin war er noch da."

"Und er hat sich während Ihrer Abwesenheit um Ihr Geschäft gekümmert?"

"Ich kann mich nicht beklagen. Morgens gibt es nie viel zu tun."

"Das reicht, Mr. Wilson. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich Ihnen in der Sache in ein, zwei Tagen Bescheid sagen kann. Heute ist Samstag; ich hoffe, daß wir am Montag zu einem Schluß gekommen sind."

"Nun, Watson", sagte Holmes, als der Besucher uns verlassen hatte, "was halten Sie von alledem?"

"Ich kann nichts damit anfangen", antwortete ich offen. "Das ist eine höchst mysteriöse Geschichte."

"Es ist ein Gesetz", sagte Holmes, "daß sich die bizarrsten Geschehnisse als die am wenigsten mysteriösen herausstellen. Es sind die gewöhnlichen, gesichtslosen Verbrechen, die wirklich verwirren, geradeso wie sich ein gewöhnliches Gesicht schwer identifizieren läßt. Aber ich muß mich beeilen."

"Was wollen Sie jetzt tun?" fragte ich. "Rauchen", antwortete er. "Das ist ein Drei-Pfeifen-Problem, und ich bitte Sie, mich in den nächsten fünfzig Minuten nicht anzusprechen!" Er rollte sich in seinem Sessel zusammen, zog die Knie bis an die Habichtnase und saß so mit geschlossenen Augen, die schwarze Tonpfeife ragte vor wie der Schnabel eines seltsamen Vogels. Ich nahm an, er sei eingeschlafen, und döste auch, aber plötzlich sprang er entschlossen auf und legte die Pfeife auf den Kaminsims. "Heute spielt Sarasate in der St. James' Hall. Was glauben Sie, Watson, können Ihre Patienten Sie für einige Stunden entbehren?"

"Ich habe heute nichts zu tun. Meine Praxis nimmt mich nie voll in Anspruch."

"Dann setzen Sie sich den Hut auf und kommen Sie mit. Wir gehen erst durch die City, unterwegs nehmen wir einen Lunch zu uns. Es steht viel deutsche Musik auf dem Programm, das ist mehr nach meinem Geschmack als die italienische oder die französische. Sie ist introspektiv, und ich möchte heute introspektiv sein. Also kommen Sie!" Wir fuhren mit der Untergrundbahn bis Aldersgate; von dort machten wir einen kleinen Spaziergang zum Saxe Coburg Square, dem Schauplatz der seltsamen Geschichte, die wir am Morgen gehört hatten. Es war ein kleiner, verwinkelter Platz von heruntergekommener Eleganz, an den vier Seiten von schmutzigen zweistöckigen Backsteinhäusern umstanden, die auf eine kleine umzäunte Fläche sahen, wo ein verwilderter Rasen und einige mickrige Lorbeerbüsche einen harten Kampf gegen die rauchgeschwängerte, unzuträgliche Luft führten. Drei vergoldete Bälle und ein braunes Brett mit der Aufschrift Jabez Wilson in weißen Lettern an einem Eckhaus bezeichneten den Ort, an dem unser rothaariger Klient sein Geschäft betrieb. Sherlock Holmes blieb davor stehen, neigte den Kopf zur Seite und musterte den Laden mit hellwachen Augen aus zusammengekniffenen Lidern. Dann ging er langsam die Straße hinauf und wieder zurück bis zur Ecke, wobei er unverwandt und eingehend die Häuser betrachtete. Schließlich verharrte er vor der Pfandleihe, und nachdem er zwei- oder dreimal mit dem Stock heftig auf das Pflaster gestoßen hatte, trat er zur Tür und klopfte. Sofort öffnete, ein heiter aussehender, glattgesichtiger junger Bursche und forderte ihn auf, einzutreten.

"Vielen Dank", sagte Holmes. "Ich wollte nur wissen, wie man von hier zum Strand kommt."

"Dritte Straße rechts, vierte links", antwortete der Gehilfe prompt und schloß die Tür. "Ein geriebener Bursche", stellte Holmes fest, als wir davongingen. "Er ist meiner Meinung nach der viertgerissenste Mann von London; ich bin mir sogar nicht ganz sicher, ob er nicht Anspruch auf den dritten Rang hat. Ich habe schon einiges von ihm kennengelernt." "Offensichtlich", sagte ich, "spielt Mr. Wilsons Gehilfe eine wichtige Rolle in der geheimnisvollen Liga der Rothaarigen. Gewiß haben Sie. nur nach dem Weg gefragt, um ihn zu sehen zu bekommen."

"Nicht ihn."

"Was dann?" "Seine Hosenknie."

"Und was haben Sie gesehen?"

"Was ich erwartete."

"Warum haben Sie auf das Pflaster gestoßen?"

"Mein lieber Doktor, jetzt ist die Zeit für Beobachtung, nicht für Unterhaltung. Wir sind Spione in einem feindlichen Land. Wir wissen einiges über den Saxe Coburg Square, lassen Sie uns nun die Pfade erkunden, die hinter ihm liegen."

Die Straße, in der wir uns befanden, nachdem wir um die Ecke des stillen Platzes gebogen waren, bot dazu einen so großen Kontrast wie die Vorderseite eines Bildes im Unterschied zu seiner Rückseite. Sie war eine der Hauptschlagadern, die den Verkehr aus der City nach Norden und Westen leitete. Die Fahrbahn war von einem nicht abreißenden Fahrzeugstrom verstopft, der sich in zwei Richtungen, stadteinwärts und stadtauswärts, wälzte, und die Trottoirs waren schwarz von hastenden Fußgängerscharen. Als wir die Reihe der schönen Läden und stattlichen Geschäftshäuser betrachteten, fiel es uns schwer zu glauben, daß sie wirklich auf der anderen Seite an den schäbigen, stillen Platz grenzen sollte, den wir eben verlassen hatten. "Mal sehen", sagte Holmes. Er war an der Ecke stehengeblieben und blickte die Häuserzeile entlang. "Ich sollte mir einprägen, wie die Gebäude aufeinander folgen. Es ist eines meiner Hobbys, genaue Kenntnisse über London zu besitzen. Also: Da ist Mortimer, der Tabakhändler, der kleine Zeitungsladen, die Coburg-Filiale der City and Suburban Bank, das Vegetarier-Restaurant und McFarlanes Wagendepot. Dahinter fängt der andere Block an. Jetzt, Doktor, haben wir unsere Arbeit getan, und es ist Zeit für Spiele. Ein Sandwich und eine Tasse Kaffee, und ab ins Land der Geigen, wo alles Süße, Annehmlichkeit und Harmonie ist und wo es keine rothaarigen Klienten gibt, die uns mit ihren Rätseln verwirren." Mein Freund war ein enthusiastischer Musiker, nicht nur ein sehr befähigter Spieler, sondern auch ein Komponist von nicht alltäglichem Rang. Den ganzen Nachmittag saß er auf dem Platz im Parkett, in vollkommenes Glück gehüllt, und bewegte sanft seine langen dünnen Finger zum Takte der Musik, und sein gelöst lächelndes Gesicht mit den verschleierten, träumenden Augen sah dem des Spürhundes Holmes, des unbarmherzigen, scharfsinnigen, entschlossen handelnden Kriminalisten, sowenig ähnlich wie nur möglich. Sein eigentümlicher Charakter beherbergte zwei Seelen; seine übertriebene Genauigkeit und seine Schlauheit erschienen mir oft nur wie Reaktionen auf die poetische und kontemplative Stimmung, die gelegentlich in ihm die Oberhand gewann. Der Pendelschlag seiner Natur trug ihn von tiefster Schlaffheit in eine alles, verschlingende Energie, doch er war - und das wußte ich gut - nie so gefährlich wie in den Momenten, da er sich, am Ende eines Tages im Lehnsessel lümmelnd, inmitten seiner altertümlichen Bücher Improvisationen hingab; dann konnte es geschehen, daß ihn plötzlich die Jagdlust überkam und sein brillanter Verstand sich in die Höhen der Intuition erhob, und diejenigen, welche mit seiner Methode nicht vertraut waren, betrachteten ihn dann wie jemanden, dessen Wissen das anderer Sterblicher übersteigt. Wie ich ihn an diesem Nachmittag in der St. James Hall ansah, fühlte ich: Über jene, die zu jagen er beschlossen hatte, würde eine böse Zeit hereinbrechen.

"Sie möchten sicherlich nach Hause gehen, Doktor", bemerkte er, als wir uns erhoben.

"Ja, das wäre schon ganz gut."

"Und ich habe etwas zu tun, das einige Stunden in Anspruch nehmen wird. Diese Angelegenheit vom Coburg Square ist ernst."

"Inwiefern ernst?"

"Ein schweres Verbrechen wird vorbereitet. Ich habe allen Grund anzunehmen, daß wir zeitig genug kommen, es zu verhindern. Aber daß Samstag ist, macht die Sache kompliziert. Ich werde heute abend Ihre Hilfe brauchen."

"Um welche Zeit?"

"Zehn Uhr, wird früh genug sein."

"Ich bin um zehn in der Baker Street."

"Sehr gut. Doch ich sage Ihnen, Doktor, es könnte gefährlich werden; seien Sie so freundlich und stecken Sie Ihren Armeerevolver ein." Er winkte mir zu, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand augenblicklich in der Menge. Ich vertraue darauf, daß ich nicht beschränkter bin als meine Mitmenschen, aber mich drückte immer das Gefühl meiner eigenen Dummheit, wenn ich mit Sherlock Holmes umging. Hier hatte ich gehört, was er gehört, hatte gesehen, was er gesehen, und doch war mir durch seine Worte klargeworden, daß er nicht nur deutlicher beobachtete, sondern auch sah, was geschehen würde, während mir die ganze Angelegenheit nur konfus und grotesk erschien. Als ich zu meinem Haus in Kensington fuhr, dachte ich alles noch einmal durch, von der außergewöhnlichen Geschichte des rotschopfigen Abschreibers der Encyclopaedia Britannica bis zum Besuch des Saxe Coburg Square und den ominösen Worten, mit denen Holmes sich verabschiedet hatte. Was bedeutete der nächtliche Ausflug, warum sollte ich mich bewaffnen? Wohin gingen wir überhaupt, und was stand uns bevor? Ich hatte Holmes' Andeutung im Ohr, daß der glattgesichtige Gehilfe des Pfandleihers ein gefährlicher Mann sei, einer, der wahrscheinlich ein dunkles Spiel trieb. Ich versuchte, das alles zu entwirren, gab dann aber verzweifelt auf und schob es beiseite. Die Nacht würde eine Erklärung bringen. Es war Viertel nach neun, als ich das Haus verließ. Ich ging durch den Park und die Oxford Street hinunter zur Baker Street. Zwei Hansoms warteten vor der Tür, und als ich im Hausflur stand, vernahm ich von oben Stimmen. Beim Betreten des Zimmers fand ich Holmes in angeregtem Gespräch mit zwei Männern, von denen ich einen als den Polizisten Peter Jones erkannte. Der andere war ein langer, hagerer Mann mit einem verdrießlichen Gesicht; er trug einen sehr glänzenden Hut und einen bedrückend respektabel aussehenden Gehrock.

"Ha, unsere Gesellschaft ist komplett", sagte Holmes, knöpfte sein blaues Jackett zu und nahm die schwere Reitpeitsche vom Haken. "Watson, ich glaube, Sie kennen Mr. Jones von Scotland Yard. Lassen Sie mich Ihnen Mr. Merryweather vorstellen, der unser Gefährte bei dem nächtlichen Abenteuer sein wird."

"Sie sehen, Doktor, wir jagen wieder paarweise", sagte Jones in seiner hochtrabenden Art. "Unser Freund ist ein wunderbarer Mann, wenn es darum geht, eine Verfolgung in Gang zu setzen. Alles, was er braucht, ist ein alter Hund, der ihm bei der Hatz hilft."

"Ich hoffe, daß es nicht ausgeht wie das Hornberger Schießen", warf Mr. Merryweather düster ein. "Mr. Holmes können Sie voll vertrauen", sagte der Polizeiagent hochmütig. "Er hat so seine besonderen Methoden, die, wenn ich das sagen darf, ein bißchen zu theoretisierend und phantastisch sind, aber er hat das Zeug, aus dem man einen Detektiv macht. Ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, daß er ein- oder zweimal, wie in der Sache mit dem Sholto-Mord und mit dem Agra-Schatz, richtiger gelegen hat als die Polizei."

"Oh, wenn Sie das sagen, Mr. Jones, hat es schon seine Richtigkeit", sagte der Fremde mit Hochachtung. "Dennoch muß ich bekennen, daß ich meinen Rubber vermisse. Heute ist der erste Samstagabend seit siebenundzwanzig Jahren, daß ich keinen Rubber spielen kann."

"Ich denke", sagte Sherlock Holmes, "Sie werden heute nacht um einen höheren Einsatz als je spielen und Sie werden finden, daß das Spiel aufregender ist. Für Sie, Mr. Merryweather, beträgt der Einsatz einige dreißigtausend Pfund, für Sie, Jones, geht es um den Mann, den Sie fassen wollen."

"John Clay, den Mörder, Dieb, Einbrecher und Geldfälscher. Er ist ein junger Mann, Mr. Merryweather, aber er steht ganz vorne an in seiner Branche, und ich würde lieber ihm als irgendeinem anderen Verbrecher in London meine Armbänder anlegen. Das ist ein bemerkenswerter Bursche, dieser junge John Clay. Sein Großvater war ein Royal Duke, er selbst ist in Eton und Oxford gewesen. Sein Hirn ist so agil wie seine Finger geschickt sind, und obgleich wir an jeder Ecke auf Spuren von ihm stoßen, wissen wir doch nie, wo wir den Mann selber finden können. In der einen Woche verübt er einen Einbruch in Schottland, und sieben Tage später stiftet er Geld für den Bau eines Waisenhauses in Cornwall. Seit Jahren bin ich ihm auf der Spur und habe ihn doch nie vor die Augen bekommen."

"Ich hoffe, ich habe in dieser Nacht das Vergnügen, Sie vorzustellen. Ich bin Mr. John Clay ein- oder zweimal begegnet, und ich stimme mit Ihnen überein, er ist der erste in seiner Branche. Aber es ist nach zehn und Zeit, daß wir aufbrechen. Wenn Sie beide den ersten Hansom nehmen wollen, folgen Watson und ich im zweiten." Sherlock Holmes war nicht sehr mitteilsam während der langen Fahrt; er lehnte in der Kutsche und summte die Melodien, die wir am Nachmittag gehört hatten. Wir ratterten durch ein endloses Labyrinth gasbeleuchteter Straßen, bis wir in der Farringdon Street herauskamen. "Jetzt sind wir nahe dran", bemerkte mein Freund. "Der Bursche Merryweather ist Bankdirektor und an der Sache persönlich interessiert. Ich dachte auch, es ist gut, wenn wir Jones dabei haben. Er ist kein schlechter Kerl, aber ein Schwachkopf in seinem Beruf. Er besitzt eine Tugend: Er ist tapfer wie eine Bulldogge und zäh wie ein Hummer, der jemanden in den Scheren hat. Da sind wir. Sie warten schon auf uns." Wir hatten dieselbe belebte Durchgangsstraße erreicht, in der wir schon am Vormittag gewesen waren. Wir entließen die Kutschen und folgten Mr. Merryweather durch einen engen Gang zu einer Seitentür, die er uns öffnete. Wir traten in einen schmalen Korridor, der vor einem schweren Eisentor endete. Auch dieses Tor wurde aufgemacht, und der Weg führte eine steinerne Wendeltreppe hinunter, die wiederum von einem starken Tor abgesperrt war. Mr. Merryweather zündete eine Laterne an, leitete uns durch einen dunklen Gang, in dem es nach Erde roch, und nachdem er eine dritte Tür aufgeschlossen hatte, kamen wir in ein riesiges Gewölbe, an dessen Wänden ringsherum Packkörbe und massive Kisten aufgetürmt waren.

"Von oben ist der Raum sicher", bemerkte Holmes, nachdem er die Laterne hochgehalten und sich umgesehen hatte.

"Von unten auch", sagte Mr. Merryweather, indem er den Stock auf die Fliesen, stieß, mit denen der Boden ausgelegt war. "Aber, mein Gott, das klingt ja ziemlich hohl", fügte er hinzu und sah überrascht auf.

"Ich muß Sie wirklich bitten, ein bißchen leiser zu sein", sagte Holmes ernst. "Sie haben schon den Erfolg unserer Unternehmung in Frage gestellt. Dürfte ich Sie ersuchen, sich auf eine der Kisten zu setzen und sich nicht einzumischen."

Der würdige Mr. Merryweather hockte sich mit gekränkter Miene auf einen Packkorb, während Holmes niederkniete und mit Hilfe einer Laterne und einer Lupe die Risse zwischen den Steinen eingehend musterte. Ihm genügten einige Sekunden, dann sprang er wieder auf die Füße und steckte das Glas in die Tasche.

"Wir haben mindestens noch eine Stunde Zeit", bemerkte er. "Sie können kaum etwas unternehmen, bevor der gute Pfandleiher im Bett ist. Dann aber werden sie keine Minute zögern. Denn je früher sie an die Arbeit gehen, desto mehr Zeit haben sie für die Flucht zur Verfügung. Wir sind jetzt, Doktor - wie Sie wohl bereits ahnen - im Keller der Filiale einer der wichtigsten Londoner Banken. Mr. Merryweather ist der Generaldirektor und er wird Ihnen erklären, warum einer der verwegensten Verbrecher Londons gegenwärtig ein besonderes Interesse an diesem Keller hat."

"Es ist unser französisches Gold", flüsterte der Direktor.

"Wir sind einige Male gewarnt worden, daß ein Anschlag darauf verübt werden könnte." "Ihr französisches Gold?"

"Ja. Wir nützten vor einigen Monaten die Gelegenheit, unsere Reserven aufzufüllen; zu diesem Zweck liehen wir dreißigtausend Napoleons von der Bank von Frankreich. Es ist bekannt geworden, daß wir keine Gelegenheit hatten, das Geld auszupacken, und daß es noch hier im Keller liegt. Der Packkorb, auf dem ich sitze, enthält zweitausend Napoleons, in Bleifolie eingeschlagen. Unsere Goldreserven sind momentan viel größer, als es eigentlich in Bankfilialen üblich ist, und die Direktoren hatten wegen dieser Sache schon Bedenken."

"Sehr zu Recht", stellte Holmes fest. "Und nun ist es an der Zeit, unseren Plan vorzubereiten. Ich nehme an, daß die Sache innerhalb einer Stunde zum Höhepunkt kommt. In der Zwischenzeit, Mr. Merryweather, müssen wir die Laterne verdunkeln." "Und im Finstern sitzen?"

"Ja, fürchte ich. Ich habe ein Kartenspiel in der Tasche und dachte mir, da wir eine partie carrée sind, könnten Sie möglicherweise doch noch zu Ihrem Rubber kommen. Aber da ich jetzt weiß, wie weit die Vorbereitungen des Feindes bereits gediehen sind, können wir es nicht wagen, hier bei Licht zu sitzen. Zuallererst aber müssen wir Posten beziehen. Das sind Männer, die aufs Ganze gehen, und sie könnten uns, auch wenn wir sie in Nachteil gebracht haben, Ungelegenheiten bereiten. Ich werde hinter dieser Kiste bleiben, und Sie verbergen sich hinter jener dort. Wenn ich das Licht auf sie richte, brechen Sie hervor. Wenn sie feuern, Watson, scheuen Sie sich nicht, sie niederzuschießen." Ich legte den gespannten Revolver auf die Kiste, hinter der ich mich niedergekauert hatte. Holmes schloß die Blende der Laterne und wir saßen im Stockdunkeln - in einer Dunkelheit, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Der Geruch nach heißem Metall blieb, und das gab uns Gewißheit, daß das Licht noch brannte und in Sekundenschnelle aufflammen konnte. Ich fühlte mich, trotz höchst angespannter Nerven, ziemlich bedrückt und niedergeschlagen in der Düsternis und der kaltfeuchten Luft des Gewölbes.

"Sie haben nur einen Rückzugsweg", flüsterte Holmes.

"Er führt durch das Haus am Saxe Coburg Square. Ich hoffe, Jones, Sie haben veranlaßt, worum ich Sie gebeten habe."

"Ein Inspektor und zwei Beamte warten an der Tür."

"Dann haben wir alle Löcher zugestopft, und wir müssen leise sein und warten."

Wie sich die Zeit dehnte! Beim späteren Vergleichen der Notizen ergab sich, daß es sich nur um ein und eine Viertel Stunde handelte, aber mir schien, als ginge überm Warten die Nacht hin bis zum Anbruch der Dämmerung. Mir wurden die Glieder steif, sie fingen an zu schmerzen, und ich traute mich nicht, die Stellung zu verändern; dabei aber blieben meine Nerven hellwach, und mein Gehör war so empfindlich, daß ich nicht nur das verhaltene Atmen meiner Gefährten vernahm, sondern sogar das tiefere, schwerere Schnaufen des dicken Jones von den dünnen, seufzerartigen Lauten des Bankdirektors unterschied. Von meinem Platze aus war mein Blick über die Kiste hinweg auf den Fußboden gerichtet. Plötzlich traf ein Lichtschimmer meine Augen. Zuerst war es nur ein blasser Funke auf dem Stein, aber bald wurde er länger, bis da ein gelber Strich war; dann, ohne Vorankündigung oder daß es ein Geräusch gegeben hätte, öffnete sich ein Spalt, und eine Hand kam zum Vorschein, eine Weiße, fast weibliche Hand, die im Lichtkreis umhertastete. Für eine Minute oder länger ragte die gekrümmte Hand aus dem Boden. Dann wurde sie so plötzlich zurückgezogen, wie sie hervorgekommen war, und wieder war alles dunkel, abgesehen von dem gedämpften Schein, der die Fuge zwischen den Steinen markierte. Die Hand war kaum länger als einen Augenblick verschwunden, da brach einer der Steine beiseite, und durch ein viereckiges, gähnendes Loch fiel die Lichtbahn einer Laterne. Über der Kante erschien ein glattes, jungenhaftes Gesicht, das umherspähte, dann kamen zwei Hände nach, die einen Körper hochzogen, zuerst bis zu den Schultern, dann bis zur Taille; schließlich wurde ein Knie aufgesetzt. Einen Moment später stand der Mann neben dem Loch und half einem Gefährten herauf, der klein und behende war wie der erste, ein bleiches Gesicht hatte und einen sehr roten Schopf.

"Alles klar", wisperte der eine.

"Hast du den Meißel und die Säcke? Heiliger Bimbam! Spring, Archie, spring! Ich werde das schon schaukeln!"

Sherlock Holmes machte einen Satz und packte den Eindringling beim Kragen. Der Letztgekommene verschwand in dem Loch, und ich hörte das Geräusch von reißendem Tuch, als Jones ihn festzuhalten suchte. Das Licht fiel auf einen Revolverlauf, aber Holmes' Reitpeitsche krachte um das Gelenk des Mannes, und die Waffe fiel klirrend auf den Steinboden. "Es ist zwecklos, John Clay", sagte Holmes ruhig. "Sie haben nicht die geringste Chance."

"Das sehe ich selber", entgegnete der andere, äußerst gelassen.

"Mir scheint, meinem Kumpel geht's gut, wenn Sie auch seine Rockschöße in der Hand haben."

"Drei Leute erwarten ihn an der Haustür." "Tatsächlich? Sie scheinen ganze Arbeit geleistet zu haben. Ich muß Sie beglückwünschen."

"Und ich Sie", antwortete Holmes. "Ihre rothaarige Idee war absolut neu und wirkungsvoll."

"Sie werden Ihren Kumpan sofort wiedersehen", sagte Jones. "Er kann schneller in Löchern verschwinden als ich. Halten Sie ein Momentchen still, ich will Ihnen die Armbänder anlegen."

"Ich bitte doch, fassen Sie mich nicht mit Ihren dreckigen Händen an", sagte unser Gefangener, als die Handschellen einschnappten.

"Sie wissen's vielleicht nicht, aber in meinen Adern fließt königliches Blut. Haben Sie die Güte, ›Sir‹ und ›bitte‹ zu sagen, wenn Sie mich anreden."

"Geht in Ordnung", sagte Jones erstaunt und lachte.

"Nun denn, würden Sie, bitte, Sir, hinaufmarschieren, wo wir einen Wagen bekommen können, der Eure Hoheit aufs Revier bringt."

"Schon besser", sagte John Clay gnädig. Er machte zu uns dreien eine kurze Verbeugung und ging in Begleitung des Detektivs ruhig ab.

"Wirklich, Mr. Holmes", sagte Mr. Merryweather, als wir ihnen aus dem Keller folgt en, "ich weiß nicht, wie die Bank es Ihnen danken oder lohnen kann. Zweifelsohne haben Sie, soweit ich von solchen Dingen Kenntnis besitze, einen der entschlossensten Versuche von Bankraub entdeckt und auf die vollkommenste Weise verhindert."

"Ich hatte mit Mr. John Clay noch ein Hühnchen zu rupfen", sagte Holmes.

"Die Sache hat mich einige Auslagen gekostet; ich hoffe, daß die Bank sie erstatten wird. Im übrigen fühle ich mich vollauf belohnt, weil ich diese in mancher Hinsicht unbezahlbare Erfahrung machen und die sehr bemerkenswerte Geschichte von der Liga der rothaarigen Männer kennenlernen konnte."

"Sehen Sie, Watson", erklärte mir Holmes, als wir am frühen Morgen bei einem Glas Whisky mit Soda in der Baker Street zusammensaßen, "es war für mich von Anfang an offensichtlich, daß das einzige Ziel der ziemlich phantastischen Angelegenheit mit der Annonce der Liga und dem Abschreiben der Encyclopaedia darin liegen mußte, den nicht gerade sehr hellen Pfandleiher für einige Stunden des Tages aus dem Weg zu räumen. Das war eine seltsame Art, aber es wäre schwierig, sich eine bessere vorzustellen. Zweifellos hat sich der Einfall für Clays geniales Denken aus der Haarfarbe seines Komplizen ergeben. Die vier Pfund pro Woche waren ein Köder, der den Pfandleiher anziehen mußte, und was bedeuteten sie schon für Leute, die um Tausende spielten? Sie setzten die Annonce in die Zeitung, einer der Schurken betrieb zeitweise das Büro, der andere bewog den Mann, sich zu bewerben, und gemeinsam nutzten sie seine Abwesenheit in den Morgenstunden der Wochentage. Seit ich wußte, daß der Gehilfe für den halben Lohn arbeitete, war mir klar, daß er einen zwingenden Grund haben mußte." "Aber wie sind Sie hinter das Motiv gekommen?" "Wären in dem Haus Frauen gewesen, hätte ich eine gewöhnliche Intrige vermutet. Doch das kam nicht in Frage. Der Mann unterhält nur ein kleines Geschäft, und es gab nichts in seinem Hause, was derart bemühte Vorbereitungen gerechtfertigt hätte. Es mußte sich also um etwas handeln, das außerhalb des Hauses lag. Was konnte es sein? Ich dachte an die Fotografierfreudigkeit des Gehilfen, seinen Trick, im Keller zu verschwinden. Der Keller! Dort lag das Ende des verwickelten Knäuels. Ich zog Erkundigungen über den geheimnisvollen Gehilfen ein und fand heraus, daß ich es mit dem kaltblütigsten und wagemutigsten Verbrecher Londons zu tun hatte. Er stellte etwas an in dem Keller - etwas, das mehrere Monate beanspruchte. Was also war es? Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als daß er einen Tunnel zu einem anderen Gebäude grub. Soweit war ich, bevor ich den Schauplatz betrat. Ich überraschte Sie damit, daß ich mit dem Stock auf das Pflaster stieß. Ich wollte mich vergewissern, ob der Keller nach vorn oder nach hinten hinaus geht. Erging nicht nach vorne. Dann zog ich die Glocke, und, wie ich gehofft hatte, erschien der Gehilfe an der Tür. Ich hatte mit ihm schon einige Scharmützel, aber er war mir noch nie zu Gesicht gekommen. Ihn blickte ich kaum an. Seine Knie waren es, die ich sehen wollte. Es muß Ihnen auch aufgefallen sein, wie abgeschabt, zerknittert und schmutzig der Stoff war. Diese Hosen erzählten mir von den Stunden des Grabens. Was übrigblieb, war die Frage, wonach er grub. Ich ging um die Ecke, sah die City and Suburban Bank, die an das Grundstück unseres Freundes grenzt, und fühlte, daß ich das Problem gelöst hatte. Als Sie nach dem Konzert nach Hause fuhren, rief ich bei Scotland Yard und beim Generaldirektor der Bank an, mit dem Resultat, das Sie kennen." "Und woher wußten Sie, daß der Anschlag in der folgenden Nacht unternommen werden würde?"

"Die Schließung des Büros der Liga war ein Zeichen, daß sie Mr. Jabez Wilsons Abwesenheit nicht länger benötigten, mit anderen Worten: Sie hatten den Tunnel fertig. Aber es war wichtig, daß sie ihn bald benützten. Er konnte entdeckt oder das Gold konnte an einen anderen Ort gebracht werden. Der Samstag paßte ihnen besser als jeder andere Tag, da er ihnen für ihre Flucht zwei Tage Vorsprung eintrug. Aus allen diesen Gründen erwartete ich, daß sie heute nacht kommen würden."

"Das haben Sie herrlich erschlossen", rief ich in aufrichtiger Bewunderung.

"Das ist eine so lange Gedankenkette, und doch paßt jedes Glied genau ans andere." "Das Gedankenspiel hat mich vor der Langeweile bewahrt", antwortete Sherlock Holmes und gähnte. "Aber ach, ich fühle sie schon wieder auf mich zukommen! Ich bringe mein Leben hin in einem einzigen langen Versuch, den Gemeinplätzen des Daseins zu entrinnen. Solche kleinen Probleme helfen mir dabei."

"Und Sie sind ein Wohltäter der Menschheit", sagte ich. Er zuckte die Schultern.

"Na, vielleicht nützt es ein bißchen", bemerkte er.

"›L'homme c'est rien - l'oeuvre c'est tout‹, wie Gustave Flaubert an George Sand schrieb."

 

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