Книга «Маленький принц» (Der Kleine Prinz) на немецком языке – читать онлайн, автор – Антуан де Сент-Экзюпери. «Маленький принц» - самое известное произведение французского писателя Антуана де Сент-Экзюпери. Эта книга была настолько популярна, что была переведена почти на все самые распространённые языки мира.
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Der Kleine Prinz
I.
Als ich sechs Jahre alt war, sah ich einmal in einem Buch über den Urwald, das »Erlebte Geschichten« hieß, ein prächtiges Bild. Es stellte eine Riesenschlange dar, wie sie ein Wildtier verschlang. Hier ist eine Kopie der Zeichnung.
In dem Buche hieß es:
»Die Boas verschlingen ihre Beute als Ganzes, ohne sie zu zerbeißen. Daraufhin können sie sich nicht mehr rühren und schlafen sechs Monate, um zu verdauen.« Ich habe damals viel über die Abenteuer des Dschungels nachgedacht, und ich vollendete mit einem Farbstift meine erste Zeichnung. Meine Zeichnung Nr. 1. So sah sie aus:
Ich habe den großen Leuten mein Meisterwerk gezeigt und sie gefragt, ob ihnen meine Zeichnung nicht Angst mache. Sie haben geantwortet:
»Warum sollen wir vor einem Hut Angst haben?« Meine Zeichnung stellte aber keinen Hut dar. Sie stellte eine Riesenschlange dar, die einen Elefanten verdaut. Ich habe dann das Innere der Boa gezeichnet, um es den großen Leuten deutlich zu machen. Sie brauchen ja immer Erklärungen. Hier meine Zeichnung Nr. 2.
Die großen Leute haben mir geraten, mit den Zeichnungen von offenen oder geschlossenen Riesenschlangen aufzuhören und mich mehr für Geographie, Geschichte, Rechnen und Grammatik zu interessieren. So kam es daß ich eine großartige Laufbahn, die eines Malers nämlich, bereits im Alter von sechs Jahren aufgab. Der Mißerfolg meiner Zeichnungen Nr. 1 und Nr. 2 hatte mir den Mut genommen. Die großen Leute verstehen nie etwas von selbst, und für die Kinder ist es zu anstrengend, ihnen immer und immer wieder erklären zu müssen. Ich war also gezwungen, einen anderen Beruf zu wählen, und lernte fliegen. Ich bin überall in der Welt herumgeflogen, und die Geographie hat mir dabei wirklich gute Dienste geleistet. Ich konnte auf den ersten Blick China von Arizona unterscheiden. Das ist sehr praktisch, wenn man sich in der Nacht verirrt hat. So habe ich im Laufe meines Lebens mit einer Menge ernsthafter Leute zu tun gehabt. Ich bin viel mit Erwachsenen umgegangen und habe Gelegenheit gehabt, sie ganz aus der Nähe zu betrachten. Das hat meiner Meinung über sie nicht besonders gut getan. Wenn ich jemanden traf, der mir ein bißchen heller vorkam, versuchte ich es mit meiner Zeichnung Nr. 1, die ich gut aufbewahrt habe. Ich wollte sehen, ob er wirklich etwas los hatte. Aber jedesmal bekam ich zur Antwort:
»Das ist ein Hut.« Dann redete ich mit ihm weder über Boas, noch über Urwälder, noch über die Sterne. Ich stellte mich auf seinen Standpunkt. Ich sprach mit ihm über Bridge, Golf, Politik und Krawatten. Und der große Mensch war äußerst befriedigt, einen so vernünftigen Mann getroffen zu haben.
II.
Ich blieb also allein, ohne jemanden, mit dem ich wirklich hätte sprechen können, bis ich vor sechs Jahren einmal eine Panne in der Wüste Sahara hatte. Etwas an meinem Motor war kaputtgegangen. Und da ich weder einen Mechaniker noch Passagiere bei mir hatte, machte ich mich ganz allein an die schwierige Reparatur. Es war für mich eine Frage auf Leben und Tod. Ich hatte für kaum acht Tage Trinkwasser mit. Am ersten Abend bin ich also im Sande eingeschlafen, tausend Meilen von jeder bewohnten Gegend entfernt. Ich war viel verlassener als ein Schiffbrüchiger auf einem Floß mitten im Ozean. Ihr könnt euch daher meine Überraschung vorstellen, als bei Tagesanbruch eine seltsame kleine Stimme mich weckte: »Bitte... zeichne mir ein Schaf!« »Wie bitte?« »Zeichne mir ein Schaf...« Ich bin auf die Füße gesprungen, als wäre der Blitz in mich gefahren. Ich habe mir die Augen gerieben und genau hingeschaut. Da sah ich ein kleines, höchst ungewöhnliches Männchen, das mich ernsthaft betrachtete. Hier das beste Porträt, das ich später von ihm zuwege brachte. Aber das Bild ist bestimmt nicht so bezaubernd wie das Modell. Ich kann nichts dafür. Ich war im Alter von sechs Jahren von den großen Leuten aus meiner Malerlaufbahn geworfen worden und hatte nichts zu zeichnen gelernt als geschlossene und offene Riesenschlangen. Ich schaute mir die Erscheinung also mit großen, staunenden Augen an. Vergeßt nicht, daß ich mich tausend Meilen abseits jeder bewohnten Gegend befand. Auch schien mir mein kleines Männchen nicht verirrt, auch nicht halbtot vor Müdigkeit, Hunger, Durst oder Angst. Es machte durchaus nicht den Eindruck eines mitten in der Wüste verlorenen Kindes, tausend Meilen von jeder bewohnten Gegend. Als ich endlich sprechen konnte, sagte ich zu ihm: »Aber... was machst denn du da?« Da wiederholte es ganz sanft, wie eine sehr ernsthafte Sache: »Bitte... zeichne mir ein Schaf...« Wenn das Geheimnis zu eindrucksvoll ist, wagt man nicht zu widerstehen. So absurd es mir erschien - tausend Meilen von jeder menschlichen Behausung und in Todesgefahr ich zog aus meiner Tasche ein Blatt Papier und eine Füllfeder. Dann aber erinnerte ich mich, daß ich vor allem Geographie, Geschichte, Rechnen und Grammatik studiert hatte, und mißmutig sagte ich zu dem Männchen, daß ich nicht zeichnen könne. Es antwortete: »Das macht nichts. Zeichne mir ein Schaf.« Da ich nie ein Schaf gezeichnet hatte, machte ich ihm eine von den einzigen zwei Zeichnungen, die ich zuwege brachte. Die von der geschlossenen Riesenschlange. Und ich war höchst verblüfft, als ich das Männchen sagen hörte: »Nein, nein! Ich will keinen Elefanten in einer Riesenschlange. Eine Riesenschlange ist sehr gefährlich und ein Elefant braucht viel Platz. Bei mir zu Hause ist wenig Platz. Ich brauche ein Schaf. Zeichne mir ein Schaf.« Also habe ich gezeichnet. Das Männchen schaute aufmerksam zu, dann sagte es: »Nein! Das ist schon sehr krank. Mach ein anderes.« Ich zeichnete.
Mein Freund lächelte artig und mit Nachsicht: »Du siehst wohl... das ist kein Schaf, das ist ein Widder. Es hat Hörner...« Ich machte also meine Zeichnung noch einmal. Aber sie wurde ebenso abgelehnt wie die vorigen:
»Das ist schon zu alt. Ich will ein Schaf, das lange lebt.« Mir ging die Geduld aus, es war höchste Zeit, meinen Motor auszubauen, so kritzelte ich diese Zeichnung da zusammen und knurrte dazu: »Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, steckt da drin.«
Und ich war höchst überrascht, als ich das Gesicht meines jungen Kritikers aufleuchten sah: »Das ist ganz so, wie ich es mir gewünscht habe. Meinst du, daß dieses Schaf viel Gras braucht?« »Warum?« »Weil bei mir zu Hause alles ganz klein ist...« »Es wird bestimmt ausreichen. Ich habe dir ein ganz kleines Schaf geschenkt.« Er neigte den Kopf über die Zeichnung: »Nicht so klein wie... Aber sieh nur! Es ist eingeschlafen...« So machte ich die Bekanntschaft des kleinen Prinzen.
III.
Ich brauchte lange Zeit, um zu verstehen, woher er kam. Der kleine Prinz, der viele Fragen an mich richtete, schien die meinen nie zu hören. Zufällig aufgefangene Worte haben mir nach und nach sein Geheimnis enthüllt. So fragte er, als er zum erstenmal mein Flugzeug sah (ich werde mein Flugzeug nicht zeichnen, das ist eine viel zu komplizierte Sache für mich): »Was ist das für ein Ding da?« »Das ist kein Ding. Das fliegt. Das ist ein Flugzeug.« Und ich war stolz, ihm sagen zu können, daß ich fliege. Da rief er: »Wie! Du bist vom Himmel gefallen?« »Ja«, sagte ich bescheiden. »Ah! Das ist ja lustig...« Und der kleine Prinz bekam einen ganz tollen Lachanfall, der mich ordentlich ärgerte. Ich legte Wert darauf, daß meine Unfälle ernst genommen werden. Er aber fuhr fort: »Also auch du kommst vom Himmel! Von welchem Planeten bist du denn?« Da ging mir ein Licht auf über das Geheimnis seiner Anwesenheit und ich fragte hastig: »Du kommst also von einem anderen Planeten?« Aber er antwortete nicht. Er schüttelte nur sanft den Kopf, indem er mein Flugzeug musterte: »Freilich, auf dem Ding da kannst nicht allzu weit herkommen...« Und er versank in eine Träumerei, die lange dauerte. Dann nahm er mein Schaf aus der Tasche und vertiefte sich in den Anblick seines Schatzes.
Ihr könnt euch vorstellen, wie stark diese Andeutung über die »anderen Planeten« mich beunruhigen mußte. Ich bemühte mich also, mehr zu erfahren:
»Woher kommst du, mein kleines Kerlchen? Wo bist du denn zu Hause? Wohin willst du mein Schaf mitnehmen?« Er antwortete nach einem nachdenklichen Schweigen: »Die Kiste, die du mir da geschenkt hast, hat das Gute, daß sie ihm nachts als Haus dienen kann.« »Gewiß. Und wenn du brav bist, gebe ich dir auch einen Strick, um es tagsüber anzubinden. Und einen Pflock dazu.« Dieser Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu kränken: »Anbinden? Was für eine komische Idee!« »Aber wenn du es nicht anbindest, wird es doch weglaufen...« Da brach meine Freund in ein neuerliches Gelächter aus: »Aber wo soll es denn hinlaufen?« »Irgendwohin. Geradeaus...« Da versetzte der kleine Prinz ernsthaft: »Das macht nichts aus, es ist so klein bei mir zu Hause!«
Und, vielleicht ein bißchen schwermütig, fügte er hinzu: »Geradeaus kann man nicht sehr weit gehen...«
IV.
Ich hatte eine zweite sehr wichtige Sache erfahren: der Planet seiner Herkunft war kaum größer als ein Haus! Das erschien mir gar nicht verwunderlich. Ich wußte ja, daß es außer den großen Planeten wie der Erde, dem Jupiter, dem Mars, der Venus, denen man Namen gegeben hat, noch Hunderte von anderen gibt, die manchmal so klein sind, daß man Mühe hat, sie im Fernrohr zu sehen. Wenn ein Astronom einen von ihnen entdeckt, gibt er ihm statt des Namens eine Nummer.
Er nennt ihn zum Beispiel: Asteroid Nr. 3.251. Ich habe ernsthafte Gründe zu glauben, daß der Planet, von dem der kleine Prinz kam, der Asteroid B 612 ist. Dieser Planet ist nur ein einziges Mal im Jahre 1909 von einem türkischen Astronomen im Fernrohr gesehen worden. Er hatte damals beim internationalen Astronomen- kongreß einen großen Vortrag über seine Entdeckung gehalten. Aber niemand hatte ihm geglaubt, und zwar ganz einfach seines Anzuges wegen. Die großen Leute sind so.
Zum Glück für den Ruf des Planeten B 612 befahl ein türkischer Diktator seinem Volk bei Todesstrafe, nur noch europäische Kleider zu tragen. Der Astronom wiederholte seinen Vortrag im Jahre 1920 in einem sehr eleganten Anzug. Und diesmal gaben sie ihm alle recht.
Wenn ich euch dieses nebensächliche Drum und Dran über den Planeten B 612 erzähle und euch sogar seine Nummer anvertraue, so geschieht das der großen Leute wegen. Die großen Leute haben eine Vorliebe für Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt, befragen sie euch nie über das Wesentliche. Sie fragen euch nie: Wie ist der Klang seiner Stimme? Welche Spiele liebt er am meisten? Sammelt er Schmetterlinge? Sie fragen euch: Wie alt ist er? Wieviele Brüder hat er? Wieviel wiegt er? Wieviel verdient sein Vater? Dann erst glauben sie, ihn zu kennen. Wenn ihr zu den großen Leute sagt: Ich habe ein sehr schönes Haus mit roten Ziegeln gesehen, mit Geranien vor den Fenstern und Tauben auf dem Dach... dann sind sie nicht imstande, sich dieses Haus vorzustellen.
Man muß ihnen sagen: Ich habe ein Haus gesehen, das hunderttausend Franken wert ist.
Dann schreien sie gleich: Ach wie schön! So auch, wenn ihr ihnen sagt: Der Beweis dafür, daß es den kleinen Prinzen wirklich gegeben hat, besteht darin, daß er entzückend war, daß er lachte und daß er ein Schaf haben wollte; denn wenn man sich ein Schaf wünscht, ist es doch ein Beweis dafür, daß man lebt, - dann werden sie die Achseln zucken und euch als Kinder behandeln. Aber wenn ihr ihnen sagt: der Planet, von dem er kam, ist der Planet B 612, dann werden sie überzeugt sein und euch mit ihren Fragen in Ruhe lassen. So sind sie. Man darf ihnen das auch nicht übel nehmen. Kinder müssen mit großen Leuten viel Nachsicht haben. Wir freilich, die wir wissen, was das Leben eigentlich ist, wir machen uns nur lustig über die albernen Zahlen. Viel lieber hätte ich diese Geschichte begonnen wie ein Märchen. Am liebsten hätte ich so angefangen: Es war einmal ein kleiner Prinz, der wohnte auf einem Planeten, der kaum größer war als er selbst, und er brauchte einen Freund... Für die, die das Leben richtig verstehen, würde das viel glaubwürdiger klingen. Denn ich möchte nicht, daß man mein Buch leicht nimmt. Ich empfinde so viel Kummer beim Erzählen dieser Erinnerungen. Es ist nun schon sechs Jahre her, daß mein Freund mit seinem Schaf davongegangen ist. Wenn ich hier versuche, ihn zu beschreiben, so tue ich das, um ihn nicht zu vergessen. Nicht jeder hat einen Freund gehabt. Und ich könnte wie die großen Leute werden, die sich nur für Ziffern interessieren, deshalb habe ich mir schließlich auch einen Farbenkasten und Zeichenstifte gekauft. Es ist schwer, sich in meinem Alter noch einmal mit dem Zeichnen einzulassen, wenn man seit seinem sechsten Lebensjahre nie andere Versuche gemacht hat als die mit einer geschlossenen und offenen Klapperschlange. Ich werde selbstverständlich versuchen, die Bilder so wirklichkeitsgetreu wie möglich zu machen. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob es mir gelingen wird. Die eine Zeichnung geht, die andere ist schon nicht mehr ähnlich. Ich irre mich auch mitunter in den Maßen. Da ist der kleine Prinz zu groß und da ist er zu klein. Auch die Farbe seiner Kleider macht mir Kummer. Dann probiere ich hin und her, so gut es eben geht. Ich werde mich vermutlich auch bei wichtigeren Einzelheiten irren. Aber das muß man doch schon nachsehen. Mein Freund hat mir nie Erklärungen gegeben. Er glaubte wahrscheinlich, ich sei wie er. Aber ich bin leider nicht imstande, durch die Kistenbretter hindurch Schafe zu sehen. Ich gleiche doch wohl schon eher den großen Leuten. Ich mußte ja im Laufe der Zeit älter werden.
V.
Jeden Tag erfuhr ich etwas Neues über den Planeten, über die Abreise und über die Fahrt. Das ergab sich ganz sachte im Laufe meiner Überlegungen. So lernte ich am dritten Tage die Tragödie der Affenbrotbäume kennen. Auch dies verdanke ich schließlich dem Schaf, denn unvermittelt fragte mich der kleine Prinz, als wäre er von einem schweren Zweifel geplagt: »Es stimmt doch, daß Schafe Stauden fressen?« »Ja, das stimmt.« »Ach, da bin ich froh!« Ich verstand nicht, warum es so wichtig war, daß Schafe Stauden fressen. Aber der kleine Prinz fügte hinzu: »Dann fressen sie doch auch Affenbrotbäume?« Ich erklärte dem kleinen Prinzen ausführlich, daß Affenbrotbäume doch keine Stauden sind, sondern kirchturmhohe Bäume, und selbst wenn er eine ganze Herde Elefanten mitnähme, würde diese Herde nicht mit einem einzigen Affenbrotbaum fertig werden. Der Einfall mit den Elefanten brachte ihn zum Lachen. »Man müßte sie übereinanderstellen...«
Aber dann bemerkte er klugerweise: »Bevor die Affenbrotbäume groß werden, fangen sie ja erst damit an, klein zu sein.« »Das ist schon richtig. Aber warum willst du, daß deine Schafe die kleinen Affenbrotbäume fressen?« Er antwortete:
»Schon gut! Wir werden ja sehen!« als ob es sich da um das klarste Ding der Welt handelte. Und ich mußte meinen ganzen Verstand aufbieten, um der Sache auf den Grund zu kommen. In der Tat gab es auf dem Planeten des kleinen Prinzen wie auf allen Planeten gute Gewächse und schlechte Gewächse. Infolgedessen auch gute Samenkörner von guten Gewächsen und schlechte Samenkörner von schlechten Gewächsen. Aber die Samen sind unsichtbar. Sie schlafen geheimnisvoll in der Erde, bis es einem von ihnen einfällt, aufzuwachen. Dann streckt er sich und treibt zuerst schüchtern einen entzückenden kleinen Sproß zur Sonne, einen ganz harmlosen. Wenn es sich um einen Radieschen- oder Rosentrieb handelt, kann man ihn wachsen lassen, wie er will. Aber wenn es sich um eine schädliche Pflanze handelt, muß man die Pflanze beizeiten herausreißen, sobald man erkannt hat, was für eine es ist. Auf dem Planeten des kleinen Prinzen gab es fürchterliche Samen... und das waren die Samen der Affenbrotbäume. Der Boden des Planeten war voll davon. Aber einen Affenbrotbaum kann man, wenn man ihn zu spät angeht, nie mehr loswerden. Er bemächtigt sich des ganzen Planeten. Er durchdringt ihn mit seinen Wurzeln. Und wenn der Planet zu klein ist und die Affenbrotbäume zu zahlreich werden, sprengen sie ihn. »Es ist eine Frage der Disziplin«, sagte mir später der kleine Prinz.
»Wenn man seine Morgentoilette beendet hat, muß man sich ebenso sorgfältig an die Toilette des Planeten machen. Man muß sich regelmäßig dazu zwingen, die Sprößlinge der Affenbrotbäume auszureißen, sobald man sie von den Rosensträuchern unterscheiden kann, denen sie in der Jugend sehr ähnlich sehen. Das ist eine zwar langweilige, aber leichte Arbeit.«
Und eines Tages riet er mir, ich solle mich bemühen, eine schöne Zeichnung zustande zu bringen, damit es den Kindern bei mir daheim auch richtig in den Kopf gehe.
»Wenn sie eines Tages auf die Reise gehen«, sagte er, »kann es ihnen zugute kommen. Zuweilen macht es ja wohl nichts aus, wenn man seine Arbeit auf später verschiebt. Aber wenn es sich um Affenbrotbäume handelt, führt das stets zur Katastrophe. Ich habe einen Planeten gekannt, den ein Faulpelz bewohnte. Er hatte drei Sträucher übersehen...« Und so habe ich denn diesen Planeten nach den Angaben des kleinen Prinzen gezeichnet. Ich nehme nicht gerne den Tonfall eines Moralisten an. Aber die Gefährlichkeit der Affenbrotbäume ist so wenig bekannt, und die Gefahren, die jedem drohen, der sich auf einen Asteroiden verirrt, sind so beträchtlich ,daß ich für dieses eine Mal aus meiner Zurückhaltung heraustrete. Ich sage: Kinder, Achtung! Die Affenbrotbäume!
Um meine Freunde auf eine Gefahr aufmerksam zu machen, die - unerkannt - ihnen wie mir seit langem droht, habe ich so viel an dieser Zeichnung gearbeitet. Die Lehre, die ich damit gebe, ist gewiß der Mühe wert. Ihr werdet euch vielleicht fragen: Warum enthält dieses Buch nicht noch andere, ebenso großartige Zeichnungen wie die Zeichnung von den Affenbrotbäumen ? Die Antwort ist sehr einfach: Ich habe wohl den Versuch gewagt, aber es ist mir nicht gelungen. Als ich die Affenbrotbäume zeichnete, war ich vom Gefühl der Dringlichkeit beseelt.
VI.
Ach, kleiner Prinz, so nach und nach habe ich dein kleines schwermütiges Leben verstanden. Lange Zeit hast du, um dich zu zerstreuen, nichts anderes gehabt als die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge. Das erfuhr ich am Morgen des vierten Tages, als du mir sagtest: »Ich liebe Sonnenuntergänge sehr. Komm, laß uns einen Sonnenuntergang anschauen...« »Da muß man noch warten...« »Worauf denn warten?« »Warten, bis die Sonne untergeht.« Du hast zuerst ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und dann über dich selber gelacht. Und du hast zu mir gesagt: »Ich bilde mir immer ein, ich sei zu Hause!« In der Tat. Wenn es in den Vereinigten Staaten Mittag ist, geht die Sonne, wie jedermann weiß, in Frankreich unter. Um dort einem Sonnenuntergang beizuwohnen, müßte man in einer Minute nach Frankreich fliegen können. Unglücklicherweise ist Frankreich viel zu weit weg. Aber auf deinem so kleinen Planeten genügte es, den Sessel um einige Schritte weiterzurücken. Und du erlebtest die Dämmerung, so oft du es wünschtest... »An einem Tag habe ich die Sonne dreiundvierzigmal untergehen sehn!« Und ein wenig später fügtest du hinzu: »Du weißt doch, wenn man recht traurig ist, liebt man die Sonnenuntergänge...«
»Am Tage mit den dreiundvierzigmal warst du also besonders traurig?« Aber der kleine Prinz antwortete nicht.
VII.
Am fünften Tag war es wieder das Schaf, das ein Lebensgeheimnis des kleinen Prinzen enthüllen half. Er fragte mich unvermittelt, ohne Umschweife, als pflückte er die Frucht eines in langem Schweigen gereiften Problems: »Wenn ein Schaf Sträucher frißt, so frißt es doch auch die Blumen?« »Ein Schaf frißt alles, was ihm vors Maul kommt.« »Auch die Blumen, die Dornen haben?« »Ja. Auch die Blumen, die Dornen haben.« »Wozu haben sie dann die Dornen?« Ich wußte es nicht. Ich war gerade mit dem Versuch beschäftigt, einen zu streng angezogenen Bolzen meines Motors abzuschrauben. Ich war in großer Sorge, da mir meine Panne sehr bedenklich zu erscheinen begann, und ich machte mich aufs Schlimmste gefaßt, weil das Trinkwasser zur Neige ging. »Was für einen Zweck haben die Dornen?« Der kleine Prinz verzichtete niemals auf eine Frage, wenn er sie einmal gestellt hatte.
Ich war völlig mit meinem Bolzen beschäftigt und antwortete aufs Geratewohl: »Die Dornen, die haben gar keinen Zweck, die Blumen lassen sie aus reiner Bosheit wachsen!« »Oh!« Er schwieg. Aber dann warf er mir in einer Art Verärgerung zu: »Das glaube ich dir nicht! Die Blumen sind schwach. Sie sind arglos. Sie schützen sich, wie sie können. Sie bilden sich ein, daß sie mit Hilfe der Dornen gefährlich wären...« Ich antwortete nichts und sagte mir im selben Augenblick: Wenn dieser Bolzen noch lange bockt, werde ich ihn mit einem Hammerschlag heraushauen müssen. Der kleine Prinz störte meine Überlegungen von neuem: »Und du glaubst, daß die Blumen...« »Aber nein! Aber nein! Ich glaube nichts! Ich habe irgend etwas dahergeredet. Wie du siehst, beschäftige ich mich mit wichtigeren Dingen!« Er schaute mich verdutzt an. »Mit wichtigeren Dingen!« Er sah mich an, wie ich mich mit dem Hammer in der Hand und vom Schmieröl verschmutzten Händen über einen Gegenstand beugte, der ihm ausgesprochen häßlich erscheinen mußte. »Du sprichst ja wie die großen Leute!« Das beschämte mich. Er aber fügte unbarmherzig hinzu: »Du verwechselst alles, du bringst alles durcheinander!« Er war wirklich sehr aufgebracht. Er schüttelte sein goldenes Haar im Wind. »Ich kenne einen Planeten, auf dem ein purpurroter Herr haust. Er hat nie den Duft einer Blume geatmet. Er hat nie einen Stern angeschaut. Er hat nie jemanden geliebt. Er hat nie etwas anderes als Additionen gemacht. Und den ganzen Tag wiederholt er wie du: Ich bin ein ernsthafter Mann! Ich bin ein ernsthafter Mann! Und das macht ihn ganz geschwollen vor Hochmut. Aber das ist kein Mensch, das ist ein Schwamm.« »Ein was?« »Ein Schwamm!« Der kleine Prinz war jetzt ganz blaß vor Zorn. »Es sind nun Millionen Jahre, daß die Blumen Dornen hervorbringen. Es sind Millionen Jahre, daß die Schafe trotzdem die Blumen fressen. Und du findest es unwichtig, wenn man wissen möchte, warum sie sich so viel Mühe geben, Dornen hervorzubringen, die zu nichts Zweck haben? Dieser Kampf der Schafe mit den Blumen soll unwichtig sein? Weniger ernsthaft als die Additionen eines dicken, roten Mannes? Und wenn ich eine Blume kenne, die es in der ganzen Welt nur ein einziges Mal gibt, nirgends anders als auf meinem kleinen Planeten, und wenn ein kleines Schaf, ohne zu wissen, was es tut, diese Blume eines Morgens so mit einem einzigen Biß auslöschen kann, - das soll icht wichtig sein?!« Er wurde rot vor Erregung und fuhr fort: »Wenn einer eine Blume liebt, die es nur ein einziges Mal gibt auf allen Millionen und Millionen Sternen, dann genügt es ihm völlig, daß er zu ihnen hinaufschaut, um glücklich zu sein. Er sagt sich: Meine Blume ist da oben, irgendwo... Wenn aber das Schaf die Blume frißt, so ist es für ihn, als wären plötzlich alle Sterne ausgelöscht! Und das soll nicht wichtig sein?« Er konnte nichts mehr sagen. Er brach plötzlich in Schluchzen aus. Die Nacht war hereingebrochen. Ich hatte mein Werkzeug weggelegt. Mein Hammer, mein Bolzen, der Durst und der Tod, alles war mir gleichgültig. Es galt auf einem Stern, einem Planeten, auf dem meinigen, hier auf der Erde, einen kleinen Prinzen zu trösten! Ich nahm ihn in die Arme. Ich wiegte ihn. Ich flüsterte ihm zu: »Die Blume, die du liebst, ist nicht in Gefahr... Ich werde ihm einen Maulkorb zeichnen, deinem Schaf... Ich werde dir einen Zaun für deine Blume zeichnen... Ich...«
Ich wußte nicht, was ich noch sagen sollte. Ich kam mir sehr ungeschickt vor. Ich wußte nicht, wie ich zu ihm gelangen, wo ich ihn erreichen konnte. Es ist so geheimnisvoll, das Land der Tränen.
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